Führungskräfte stehen vor vielen Problemen – und sie brauchen kreative Lösungen. Die Agentur „Gute Botschafter“ zählt zu den kreativsten ihrer Branche. Zum 30-jährigen Bestehen haben die beiden Gründer, Michael Buttgereit und Wolfram Heidenreich, ein Buch über ihre Erfahrungen zusammengestellt. Im nachfolgenden Auszug zeigt Michael Buttgereit, worauf es bei der Ideenfindung ankommt.

Menschen, die auf ein Gegenüber mit besonders ausgewiesenen kreativen Berufen treffen, stellen immer mal wieder die Frage: „Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?“ Interessant an dieser Formulierung scheint die Vorstellung zu sein, man würde Ideen fangen wie Mäuse, die man am Weiterlaufen hindert, indem man ihnen zart auf den Schwanz tritt. Vielleicht herrscht auch die Vorstellung vor, man müsste eine Idee erobern wie den Gipfel bei einer Bergbesteigung und könnte, wenn man ihn erreicht hat, auf all die Einfallslosigkeit hinabblicken, die die unkreative Menschen gemeinhin zu umgeben scheint. Menschen, die unisono dem Gipfelstürmer nach oben blickend zurufen: „Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?“

Jeder ist kreativ

Erstens glaube ich nicht, dass es unkreative Menschen überhaupt gibt. Und zweitens wären wir nach über drei Jahrzehnten kreativen Schaffens längst erschöpft, wenn wir auf Ideen kommen müssten. Ideen zu haben, ist das Leichteste der Welt, vorausgesetzt, man bringt sich in die richtige Verfassung und steht ihnen nicht selbst im Wege. Es gibt ja Zeitgenossen, die glauben, dass ein oder zwei Gläser Wein einen wertvollen Beitrag zur Ideenfindung leisten würden. Dies ist jedoch ein weitverbreiteter Irrtum, weil einem der benebelte Verstand und die enthemmte Gesamtlage ein Trugbild vorgaukelt.

Offen gestanden, habe ich es selbst auch ausprobiert und festgestellt: Man scheint der Idee und Lösung einer gestellten Aufgabe mit jedem Glas näherzukommen, obwohl man sich faktisch immer mehr davon entfernt. Am nächsten Tag erinnert man sich durch den gefühlten Kopfschmerz hindurch, dass die Aufzeichnungen des Vorabends zwar manchen Schenkelklopfer erzeugt haben, aber selten ein brauchbares Ergebnis. Nüchtern betrachtet, bedarf es weniger Ideengaudi als der richtigen Mischung von Haltung zur Aufgabe.

Wenn Sie mögen, führe ich Sie hier kurz in unser Erfolgsgeheimnis zur Ideenfindung ein. Folgende Fallstricke sind auf jeden Fall zu umgehen:

Eine vermeintlich gute Idee ist schnell da.

Das ist der klassische Umkehreffekt. Eine spontane Idee wird einem sofort so lieb, dass man sie auf die Aufgabe unbedingt anwenden will. Das eigene Ego unterstützt diese Sicht auf die Dinge, denn wer möchte nicht bereits nach einer Minute als Genie vom Platz gehen. Bei tieferer Einsicht bleibt dann oftmals der Satz zurück: „Ist hier vielleicht nicht passend, wäre aber sensationell für Folgendes …“— nur leider liegt diese Aufgabe gerade nicht vor uns.

Die ersten Ideen haben alte Zöpfe.

Vielleicht kennen Sie die Situation, dass ihnen jemand für eine herausfordernde Aufgabe Lösungen vorschlägt, die sozusagen einfach „von der Stange“ sind. Schon tausendmal gehört oder gesehen und wenig originell. Es ist verständlich, dass man zunächst im bisherigen Erfahrungsschatz nach Lösungen sucht. Für die Anwärmphase ganz normal, aber der Profi weiß: Wir haben mit der Ideenentwicklung noch gar nicht begonnen. Wir räumen sozusagen die Gehirnwerkstatt erst noch auf und befreien alles von bisherigen Versatzstücken, Altpapier und reichlich Gedankenmüll.

Die Aufgabe in der Tiefe verstehen.

Es ist immer gut, sich zunächst intensiv mit der gestellten Herausforderung zu befassen. Die richtig gute Idee und Lösung kommt zumeist aus einem tieferen Verstehen der eigentlichen Aufgabe. Erkunden Sie das Problem hinter dem Problem oder die eigentliche Aufgabe hinter der formulierten Fragestellung. Denn das Problem zu erkunden, kann selbst ein Schatz voller Ideen sein, der sich dadurch vor Ihnen auftut.

Nutzen Sie Kreativtechniken als Spielbälle.

Der Profi weiß sich zu helfen mit anerkannten und wertvollen Kreativtechniken, damit der Geist gestreckt wird. Eine Art Aufwärmphase vor dem 100-Meter-Sprint. Die verschiedenen Techniken werden hier nicht weiter erörtert, dafür gibt es andere Bücher und einschlägige Blogs, die Auskunft geben können. Noch immer sind wir damit aber nicht im eigentlichen Prozess der Ideenfindung angekommen, sondern noch immer in der Vorbereitung.

Erfahrung ist gut, kann jedoch auch behindern.

Wenn man wie wir über viele Jahrzehnte sein Geld mit Ideenentwicklung verdient, dann findet man seine eigene Form, sich in eine gute kreative Verfassung zu bringen, damit auch in einer gewissen Zeit ein echt gutes Ergebnis vorliegt. Selbstverständlich hat jeder Kreative einen individuellen Ansatz, die Herausforderung, in einem bestimmten Zeitrahmen Ideen zu liefern, zu meistern und Erfahrung, wie solche Aufgaben gelöst werden können, welche Herangehensweise sinnvoll ist, was sich bewährt hat. Aber sich ausschließlich darauf zu verlassen, bringt nicht immer Neues in die Welt.

Kommen Sie irgendwie in Bewegung.

Ich kann mich nicht erinnern, dass mir eine überzeugende Lösung hinter meinem Schreibtisch sitzend eingefallen wäre. Der Schreibtisch ist per se kein guter Ort für die Entwicklung von Ideen, da er in der Regel nicht leer ist und viele andere Dokumente und Vorgänge einen ablenken. Am allerbesten ist es naturgemäß, in Bewegung zu kommen. Bewegung bringt immer etwas in Fluss — auch das Denken. Es muss für mich gar nicht die eigene Bewegung sein. Ich liebe es, mit dem Zug zu fahren, wenn die Landschaft an mir vorbeizieht. Diese sich permanent verändernde Situation regt meine inneren Quellen an. Und das „Noch-nicht-angekommen-sein“ lotst mein Denken in neue Richtungen.

Lassen Sie doch einfach mal los.

Es ist wenig erstaunlich, dass man sich in kreativen Prozessen festfährt. Dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Irgendwann verliert man den Abstand zu der Aufgabe und sich selbst. Durch Verbissenheit entsteht eine Art kreatives Vakuum, das nichts anderes benötigt als Entspannung. Loslassen ist angesagt. Und das meine ich durchaus wörtlich. Legen Sie alles aus der Hand. Gewinnen Sie Abstand vom Denken.

Sicher wird Ihnen die Erfahrung nicht fremd sein, dass Sie unter der Dusche Lösungen für irgendwelche Alltagsprobleme gefunden und später aus dem Bad getragen haben, neue Ansätze, die Sie selbst überrascht haben.

Den Erwartungshorizont erweitern.

Über die eigene Idee zu staunen, ist ein gutes Zeichen, dass etwas Besonderes gelungen ist. Das Wort „Gelingen“ drückt in der deutschen Sprache etwas aus, das es meines Wissens in keiner anderen Sprache gibt. Im Englischen würden wir sagen: „Well done.“ Es sagt jedoch etwas anderes aus. Das eigene Machen und Tun steht stark im Vordergrund. Gelingen steht im Gegensatz zu Misslingen; in der tieferen Erkenntnis, dass wir alles getan haben, damit die Dinge werden, ohne noch selbst Einfluss darauf zu haben. Gelingen impliziert das Dazutun eines heiligen Umstandes, den wir nicht mehr in der Hand haben.

Erweitern Sie also den Horizont auf das zu Gelingende. Und so erleben wir das mit der Ideenfindung. Das Wort „Ideenfindung“ deutet bereits an, dass sie schon da ist, also nicht erst geschaffen werden muss. Ich gehe davon aus, dass alles Gedachte und jemals zu Denkende bereits da ist. Jede Kombination bereits als Möglichkeit existiert. Wir können uns deshalb nie ganz als Macher, sondern immer zu einem gewissen Anteil auch als Beschenkte verstehen. Und selbst der Erfinder ist letztlich vom Wort her Ermöglicher und Finder in einem.

Erwarten Sie also nicht zu viel von sich selbst. Eine Haltung der Demut und Dankbarkeit steht dem Kreativen gut zu Gesicht. Und damit vervollkommnet sich das Bild des Kreativen um eine ganz wichtige Dimension: Eine wirklich geniale Idee folgt zu großen Teilen der Eingebung, die durch den Menschen in die Wirklichkeit gerät. Wir nehmen also das Gegebene und wenden es klug an. Und sollten Sie mich fragen, wie ich denn auf diese Idee gekommen sei, wundern Sie sich nicht wenn ich antworte: „Sie ist mir eingefallen.“

Aus dem Buch:
Lasst uns aufhören zu glänzen und anfangen zu leuchten: Über den Mut, echt zu sein, und wie Vertrauen entsteht!
192 Seiten, 22 Euro. bene! (München) 2024.

Autoren:
Michael Buttgereit, Jahrgang 1961, ist Diplom Kommunikationsdesigner, Speaker sowie Mitgründer der Agentur „Gute Botschafter“. Er gehört dem Vorstand des Vereins „DAS RAD“ (Christen in künstlerischen Berufen) an. Der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Töchtern lebt in Haltern am See.

Wolfram Heidenreich, geboren 1958. Studium Kommunikationsdesign an der Universität Wuppertal. 1982 Abschluss als Diplom-Designer. 1984 – 88 im Medienbereich einer internationalen christlichen Organisation. 1988 Gründung des „Büros für Kommunikationsdesign“ in Mainz. 1992 Fusion und Gründung der Agentur ‚Buttgereit und Heidenreich‘ in Haltern am See. Seit 2011 ‚Gute Botschafter GmbH‘ mit Standort Haltern am See und Köln am Rhein. 2022 Verkauf des Unternehmens und tätig als Kommunikationsberater und -Designer.