Kirche und zwei Start-up-Unternehmen unter einem Dach — passt das? Hervorragend, findet der Wirtschafts- und Sozialpfarrer Albrecht Knoch. In Ulm wächst zusammen, was zusammengehört.

Wer das gemeinsame Domizil in der Ulmer Bahnhofstraße betritt, sieht die unterschiedlichen Unternehmenskulturen sofort: Hier der evangelische Wirtschafts- und Sozialpfarrer Albrecht Knoch, umgeben von vielen Regalen und Büchern. Dort die Büros der Start-up-Unternehmen Innolizer und 3 Level Consulting, eher im Stil von „ein Tisch, ein Stuhl, ein Laptop, eine Cloud“.

Doch unter der Haube gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte. 3 Level Consulting berät Unternehmen aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive – aus diesen drei Ebenen entstand der Name der Firma. Innolizer kümmert sich um die Art von Digitalisierung, bei der der einzelne Mensch – und dessen Nutzen und Wohlbefinden – im Mittelpunkt stehen.

„Dieser Austausch ist eine riesige Chance für uns“, sagt Knoch, „es gibt große Schnittmengen“. Organisatorisch ist der württembergische „Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt“ (KDA), für den Knoch tätig ist, ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll.

Firmen mit Werten

Wenn Knoch mit Unternehmern spricht, ist er dann lästig? Die Chefs haben schon genügend Probleme, dann kommt auch noch die Kirche daher und sagt, sie sollen sich sozial anständig benehmen? Nein, so erlebt Knoch das nicht. „Es gibt viele Firmen, die sich an Werten orientieren“, beobachtet er. Ob jemand evangelisch, katholisch oder etwas anderes ist, unterscheidet er in seinen Begegnungen nicht. Natürlich bekomme er auch ab, „was jemand an der Kirche gestunken hat“. Er sieht die Lage sehr nüchtern: „Im 19. Jahrhundert haben wir als Kirche die Arbeiterschaft verloren, nach dem Zweiten Weltkrieg dann auch die anderen.“

Dabei hätten viele Unternehmer einen Blick fürs Gemeinwohl, oft sei Nachhaltigkeit der entscheidende Wert. „Es gibt langfristiges Denken.“ Suche sich ein junger Mensch seinen Arbeitgeber aus, was heute möglich sei, komme die Frage nach dem Verdienst oft erst an dritter Stelle. Wichtig sei: Was wird produziert? Kann ich mich damit identifizieren? Wie sind die Rahmenbedingungen, wie die Fehlerkultur? „Es gibt Betriebe, da würde ich sofort gerne arbeiten.“ Verlassen Firmen die Tarifbindung, findet das Knoch hingegen „grundfalsch“. Ein Tarifvertrag gebe auch Sicherheit: „Während der Laufzeit wird ordentlich gearbeitet.

„Der Markt allein schafft es nicht“

„Unternehmer wollen verlässliche Rahmenbedingungen“, sagt Knoch. Gelte eine Regel, etwa zur Einhaltung der Menschenrechte, für alle, entstehe ein „level playing field“, ein fairer Wettbewerb mit gleichen Startpunkten. Anstatt ein Wildwuchs, bei dem die Unanständigen profitieren. Für das deutsche Lieferkettengesetz habe sich der KDA stark eingesetzt. Jenseits der Individualethik, also dem verantwortungsvollen Handeln des Einzelnen, brauche es als „allgemeinen Code“ die Sozialethik. „Der Markt allein schafft es nicht, das EU-Parlament spielt eine wichtige Rolle.“ Beim USB-C-Stecker als Norm habe sich selbst Apple beugen müssen.

Knoch redet mit Unternehmern, Betriebsräten, Arbeitnehmern und Gewerkschaften: in Einzelgesprächen, in vertraulichen Kleingruppen und bei öffentlichen Vorträgen und Tagungen. Er arbeitet eng mit der katholischen Betriebsseelsorge zusammen. Die kirchlichen Dienste in der Wirtschaft sind europaweit vernetzt. Knoch hat ein internationales Papier mit 34 Thesen zu einer „lebensdienlichen Digitalisierung“ koordiniert.

Wo Kirche „reinpasst“

Womit wir beim Hauptanliegen von Julia Geiselmann, Gründerin von Innolizer, wären. Innovationen würden meist technisch betrachtet, bedauert sie, im Sinne von „höher, schneller, weiter“. Viel interessanter sei aber die Frage: „Was für einen Mehrwert bringt das Produkt für den Nutzer?“ Bei der Beratung von Unternehmen bei ihrer Produktentwicklung arbeite Innolizer stark mit interdisziplinären Teams, unter anderem mit Nachhaltigkeits- und Ergonomieexperten. „Da passt auch Kirche rein“, ist sie überzeugt.
epd