Viele Christen im Wirtschaftsleben kennen das: Sonntag ist der Tag des Glaubens, an Werktagen dominiert die Arbeit. Doch was geschieht, wenn wir Gebet und Glauben ins Büro bringen? Dann entsteht „Workship“: Arbeit und Anbetung verschmelzen.
Von Patrick Lai
Im Durchschnitt verbringen wir etwa ein Drittel unserer Zeit bei der Arbeit, entsprechend wirkt sich unser Christsein und alles, was wir über den Glauben sagen, dort besonders aus. Nicht selten bringt die Arbeit uns auch in Kontakt mit Menschen, die „am anderen Ende der Erde“ leben und arbeiten. Unser Broterwerb sollte niemals im Widerspruch zu unserem geistlichen Dienst stehen. Im Gegenteil, am Arbeitsplatz wird unser geistliches Leben sichtbar und dort weisen wir die Menschen auf Gott hin. Während wir arbeiten, können andere an uns beobachten, was es heißt, mit Gott in Beziehung zu stehen.
Quer durch die Bibel sehen wir, dass Gott die Arbeit dazu bestimmt hat, Beziehungen zwischen Menschen zu schaffen und die Welt zum Besseren zu verändern. Gott möchte durch unser Arbeiten für die Menschen sichtbar werden. Doch wenn wir von Anbetung reden, dann denken wir normalerweise an einen Gottesdienst, der sonntags stattfindet. Im Unterschied dazu bezeichnen wir das, was wir von Montag bis Freitag tun, als unsere Arbeit. Werktags leben wir in der „säkularen Arbeitswelt“, die wir säuberlich getrennt halten von unserem „Gemeindeleben“, auch wenn diese Trennung in der Bibel so nirgends zu finden ist.
„Vollzeitiger Dienst“ im Business?
Gott will nicht, dass wir in dieser Zweiteilung leben, das entspricht ihm nicht. Trotzdem starten die wenigsten Christen in die Woche mit dem Gebet: „Jesus, ich gehe jetzt zu dem geistlichen Dienst, zu dem du mich berufen hast. Bitte lass mich heute wieder dein Salz und Licht für meine Kollegen und Kunden sein.“
Gemäß der Sichtweise, die sich über die Jahrhunderte in allen Kirchen etabliert hat, sind Pfarrer und Priester, Pastoren und Missionare die „wirklichen“ Diener Gottes. Es gibt einen „vollzeitigen Dienst“, der geistlich wertvoller ist als das ganz normale Geldverdienen, auch wenn man das natürlich nicht so direkt sagen würde. Die berufstätigen Christen werden gebraucht, um die Männer und Frauen Gottes im vollzeitigen Dienst zu finanzieren. Darüber hinaus können sie abends und am Wochenende, soweit es ihre Zeit noch erlaubt, auch ehrenamtliche Dienste in der Gemeinde tun und sich im Kinderdienst, als Kleingruppenleiter oder im Anbetungsteam einbringen. Die Mitarbeit in der Gemeinde ist gut und richtig, aber die Trennung zwischen der geistlichen und der weltlichen Arbeit ist falsch.
Leben, was man glaubt
Arbeit kann man definieren als „Anstrengung, die darauf ausgerichtet ist, etwas zu produzieren oder zu erreichen“. So gesehen kann man immer dann von Arbeit sprechen, wenn versucht wird, ein Ziel zu realisieren. In diesem Sinn rät Paulus den Christen in Ephesus: „Arbeitet mit Freude als Christen, die nicht den Menschen dienen, sondern dem Herrn. Denn ihr wisst ja: Der Herr wird jedem für seine guten Taten den verdienten Lohn geben, ganz gleich ob jemand Sklave ist oder frei“ (Epheser 6,7-8).
Unsere Art zu arbeiten sagt etwas über unseren Glauben aus. Wenn wir gute Arbeit leisten, wirft das ein positives Licht auf unseren Gott, schlechtes Arbeiten bewirkt das Gegenteil. Dazu fällt mir ein negatives Beispiel ein: Meine Schwester erklärte einmal: „Ich habe gar keine Lust mehr, in die Gemeinde zu gehen. Mein Vermieter ist ständig dort, aber für mein kaputtes Fenster hat er keine Zeit, obwohl ich ihn schon seit fünf Wochen bitte, es zu reparieren.“ Die Menschen beurteilen unseren Glauben nach dem, wie wir leben.
In allem, was wir tun, dienen wir letztlich Gott, nicht den Menschen. Alles soll zu Gottes Ehre beitragen. Wenn unser Reden und Handeln aus einem reinen Herzen entspringt, kann Gott durch uns wirken, wir spiegeln Gottes Wesen wider, und er kann sich durch uns verherrlichen. Wo Arbeit und Anbetung zusammenfließen, entsteht „Workship“, ein sich gegenseitig durchdringendes Anbeten und Arbeiten, sonntags und werktags.
Theologen in die Arbeitswelt!
Unser Verhalten am Arbeitsplatz hat Auswirkungen, es kann andere von Gott fernhalten oder sie zu ihm hinführen. So tragen wir mit unserer Arbeit zum Wachstum und Fortschritt unserer Gesellschaft bei. Trotzdem wird die Berufswelt in ihrer Bedeutung für das Evangelium weithin falsch eingeschätzt. Wenn wir mehr Menschen mit Jesus bekannt machen wollen, lohnt es sich, uns selbst und unser Verständnis von Nachfolge zu überprüfen. Auch wäre es gut, wenn die hauptamtlichen Mitarbeiter der Kirchen und Gemeinden mit der Arbeitswelt vertraut wären.
Wenn wir „Workship“ leben und Gott im Berufsalltag dienen, dann geben wir ihm das Beste von dem, was wir empfangen haben. Wann immer Gott uns segnet, erfüllt, berührt oder überrascht, ist es richtig, ihm das Empfangene als eine Opfergabe zurückzugeben, als Ausdruck unserer Dankbarkeit für seine Güte zu uns. Je mehr „Workship“ unser Leben bestimmt, je mehr Sonntage und Werktage gleichermaßen von Gottes Gegenwart durchdrungen sind, desto mehr werden wir alles, was wir besitzen – Zeit, Besitz, Gedanken – als Gaben Gottes feiern. Gott beschenkt uns mit seinen Segnungen, damit wir sie mit anderen teilen und ihm damit Ehre machen.
Segen weitergeben – im Job
Wenn wir seine Geschenke für uns selbst behalten und uns Vorräte davon anlegen, werden sie verderben, so wie das Manna schlecht wurde, als die Menschen es horten wollten. Jesus hat uns beauftragt, Salz und Licht in der Welt zu sein. Aus der Geschichte des Barmherzigen Samariters wissen wir, dass sich das nicht nur auf unsere Mitchristen bezieht. Um den Segen weitergeben zu können, müssen wir unter den Menschen leben und arbeiten, die Gott noch nicht kennen.
In der Bibel werden Arbeit und Gottesdienst nicht getrennt betrachtet, ebenso wenig wie wir uns unser Herz und unsere Seele als zwei voneinander unabhängige Einheiten vorstellen. Gott sieht jeden Menschen als eine Einheit mit allem, was er ist und was er tut. Herz und Seele können nicht einzeln existieren, entsprechend sind auch unser alltägliches Leben und die tägliche Anbetung keine unverbundenen Elemente.
Nahtlose Übergänge
Was wir am Sonntag glauben und bekennen, sollte unser berufliches Handeln die ganze Woche über prägen und bestimmen. Im Idealfall gehen Sonntag und Montag, Gottesdienst und Arbeitsalltag nahtlos ineinander über. Nicht immer gelingt uns das, und manchmal ist es auch sinnvoll, Dinge getrennt zu betrachten. Für den Fortschritt im Bereich von Naturwissenschaft und Forschung ist die Beschränkung auf Teilbereiche oft sogar der Schlüssel zum Erfolg. Aber dabei besteht auch immer die Gefahr, dass man den Blick für das große Ganze verliert und die Überlappungen und Wechselwirkungen übersieht.
Wenn man zum Beispiel H2O analysiert, kann man es in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen und es wird einem in den drei Zuständen Wasser, Eis oder Dampf begegnen. Für die Israeliten war es natürlich ein Unterschied, ob sie Jahwe in seinem heiligen Tempel angebetet oder ob sie auf dem Acker gearbeitet haben. Aber beide Tätigkeiten waren ein Teil ihres Lebens. Gott hat uns als sein Ebenbild geschaffen, für die Arbeit und für den Gottesdienst. Arbeit kann auch eine andere Form des Gottesdienstes sein. Warum sollten wir den einen wichtigen Bereich gegen den anderen, ebenso wichtigen Bereich ausspielen? Es geht nicht um Wasserstoff gegen Sauerstoff, Gott-Vater gegen Gott-Sohn, Arbeit gegen Anbetung oder finanziellen Gewinn gegen geistliche Wirksamkeit. Natürlich handelt es sich um jeweils unterschiedliche Bereiche, aber sie gehören zusammen. Unsere tägliche Arbeit ist unser Dienst für Gott und für die Menschen und auch in unserer Firma tun wir einen geistlichen Dienst.
Idealer Ort für Mission
Für viele Menschen nimmt der Arbeitsplatz die zentrale Stelle in ihrem Leben ein. Die Arbeit gibt ihnen ihre Identität, und voller Stolz blicken sie auf ihre beruflichen Erfolge und die Laufbahn, die sie schon zurückgelegt haben. Doch auch unsere Grenzen, Ängste und unser Egoismus werden am Arbeitsplatz offenbar, unser ganzes sündiges Ich kommt bei der Arbeit zum Vorschein. Damit werden wir für andere, denen es ähnlich geht, nahbar. Im Gespräch unter Kollegen herrscht oft auch eine entspannte Offenheit für theologische Fragen. Die Berufswelt ist der ideale Ort, um Menschen mit Gott bekannt zu machen, wir können Gebet und Anbetung wie selbstverständlich im Büro, im Klassenzimmer, der Fabrik und an jedem anderen Arbeitsplatz praktizieren und vorleben.
Patrick Lai, hat akademische Abschlüsse in Wirtschaft, Theologie und Interkulturellen Studien. Mehr als 37 Jahre lang arbeitete er mit seiner Familie in Südostasien. Er hat 14 Firmen in vier Ländern gegründet. Patrick Lai fördert Geschäftsleute in Regionen, in denen es nur wenige Christen gibt. Er wird am 23. März 2024 beim B4T Forum (www.b4tforum.com) in Winterthur (Schweiz) sprechen.
HINWEIS
Der Text ist ein Auszug aus dem Buch „Workship – Glaube und Arbeit neu ausrichten“ Autor: Patrick Lai
ISBN 978-3-00-076070-9
200 Seiten. Open Worldwide Publishing 2023.