In Zeiten von Social Media sind Shitstorms Alltag geworden. Wie stellen sich Unternehmen und Organisationen darauf ein? Ein Experte erläutert, was es für eine gelingende Kommunikation braucht.

Der Satz des Philosophen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick ist legendär: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ In der Tat: Auch ohne Worte stehen wir immer im Austausch mit unserer Umwelt. Wer zum Beispiel eine Mail, einen Anruf oder einen Online-Kommentar ignoriert, sendet auch eine Botschaft. Für viele mittelständische Unternehmen und für viele Organisationen ist Öffentlichkeitsarbeit noch immer ein Gebiet, das man nur zögernd betritt. Zu groß ist die Furcht vor kritischen Medienanfragen.

Hinzu kommen inzwischen zahlreiche Social-Media-Kanäle, die mit ihren möglichen Shitstorms manchem Verantwortungsträger wie ein bedrohliches Mysterium erscheinen, dessen Spielregeln man nicht wirklich versteht. Das Problem dabei ist: Man kann sich eben nicht aussuchen, ob man kommunizieren möchte oder nicht. Doch Wehklagen hilft an dieser Stelle nicht weiter. Unternehmen und Organisationen sind Teil der Öffentlichkeit und müssen akzeptieren, dass sie Gegenstand der medialen Berichterstattung werden oder in Internetforen kritische Kommentare kassieren. Umso wichtiger ist, dass man die Spielregeln kennt. Man kann nur beeinflussen, was man versteht.

Kommunikation als Chance

Ziel ist es, Kommunikation als Chance zu begreifen und nicht als Last. Die Herausforderungen in einer vernetzten Welt nehmen zu. Hatte man es früher mit einigen wenigen Medienvertretern zu tun, kann heute im Prinzip jeder Nachbar, Mitarbeiter, Wettbewerber oder Influencer zum reichweitenstarken Sender werden. Der Journalist hat seine Rolle als Gatekeeper längst verloren. Nachrichten, egal ob falsch oder richtig, brechen sich per Internet Bahn und werden dann oft von den klassischen Medien aufgegriffen.

Wie auf allen Fachgebieten des Berufslebens sollte man sich auch hier frühzeitig sachkundig machen, wie die aktuelle Entwicklung aussieht.

Der Job der Journalisten

Fakt ist: Journalisten haben ein legitimes Interesse an der Information und Aufklärung ihrer Leser. Bedeutet: Medien haben in der Regel den Eigenanspruch, gründlich zu recherchieren, wichtige Informationen zu sammeln und auch Missstände aufzudecken. Verstoßen sie dagegen, kommen sie ihrem Auftrag nicht nach. Das muss man dann auch nicht hinnehmen. Es gibt dafür rechtliche Regeln, die man kennen sollte. Doch dazu später mehr. Grundsätzlich gilt: Auch Journalisten wollen ihren Job machen – und das möglichst gut. Dazu haben sie auch ein Recht.

Gleichzeitig sind Unternehmen oder Organisationen nicht nur Gegenstand der Berichterstattung. Es liegt auch in ihrem eigenen Interesse, ihre Ziele und ihr Handeln zu erklären. Das kann über die klassischen Medienkanäle geschehen, die von Journalisten bedient werden. Zunehmend läuft das aber auch über eigene und fremde Social-MediaKanäle und natürlich über die Website. Für alle Bereiche gibt es vielfältige Möglichkeiten in der Kommunikation, aber auch strategische Grundlagen, die in jeder Organisation definiert und verankert sein müssen. Strukturierte Kommunikation gedeiht nicht zufällig und „by the way“. Informationen über die eigene Organisation sollten für Journalisten professionell zugänglich gemacht werden. Das geht los mit dem Pressekontakt auf der eigenen Website, ergänzt durch Bildmaterial und wichtige Basisinfos.

Lügen geht gar nicht

Wer den Anspruch erhebt, öffentlich gehört zu werden, muss auf Transparenz setzen, auch und gerade dann, wenn ein Thema vielleicht schwierig wird. Die Akzeptanz der eigenen Medienarbeit hängt ab von ihrer Professionalität und dem Verständnis für die Bedürfnisse von Journalisten, die ihrem Tagesgeschäft nachgehen. Letztlich geht es um den Aufbau von Vertrauen bei den Medienvertretern durch faire und ehrliche Informationsstrategie. Dazu gehört auch, dass man Fehler einräumt, wenn sie passiert sind.

Punkten kann man mit Ehrlichkeit. Was gar nicht geht, ist lügen. Zu diesem Punkt kann es innerhalb der eigenen Organisation und der Hierarchien unter Umständen heftige Diskussionen geben. Vor allem, wenn die Pressestelle die Fehler einer Fachabteilung in der Öffentlichkeit vertuschen soll. Nach meiner Erfahrung gilt gerade auch in der Medienarbeit der Satz: Ehrlich währt am längsten. Natürlich muss man nicht ungefragt alles erzählen, was wahr ist. Aber das was man sagt, muss wahr sein.

Ich persönlich glaube nicht, dass wir von der hellen und der dunklen Seite der Macht sprechen, wenn wir uns mit Journalismus und PR befassen. Beide brauchen einander, wenn sie ihren Job machen wollen. Journalisten werden sich schwertun, wenn sie keinen Ansprechpartner im Unternehmen haben, der ihr Anliegen in die Organisation hineinträgt und bei Bedarf „übersetzt“. Umgekehrt werden PR-Leute sich in der Medienwelt auf Dauer schwertun, wenn sie sich den Ruf erwerben, dass man ihnen nicht trauen kann, weil sie lügen und tricksen, wenn es eng wird. Das bedeutet nicht, dass man jedem Konflikt aus dem Weg geht. Aber auch ein Streit kann fair und offen ausgetragen werden.

Blockieren oder informieren?

Wenn die Krise erst einmal vor der Tür steht, ist es zu spät, sich Gedanken über mögliche Strategien und Abläufe zu machen. Was man in einer Kommunikationskrise am wenigsten hat, ist Zeit. Das Internet gibt hier den Takt vor. Von der kritischen Anfrage einer Wirtschaftsredaktion zu einem angeblichen Korruptionsskandal vergeht vielleicht nur eine halbe Stunde, bis das Thema online ist und andere Medien darauf aufmerksam werden. Schweigen oder die Aussage „Das kommentieren wir nicht“, sind dann in der Regel untaugliche Instrumente.

Je früher sich ein Unternehmen damit befasst, wer wann und wie kommunizieren kann und wie die Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation sind, umso mehr hat es die Chance, die Kontrolle über Kommunikationsabläufe zu behalten und eine Blockadehaltung zu vermeiden. Nur wer informiert, hat die Chance, seine Außenwahrnehmung mitzugestalten.

Schwachstellen suchen

Es ist wichtig, dass Unternehmen verstehen, welche Auslöser es für Kommunikationskrisen gibt und wie sich diese entwickeln können. Die Erfahrung zeigt: Krisen ohne professionelle Kommunikation können drastische Folgen haben: interne Unruhe innerhalb der Organisation und der Verlust von Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Nur wer sich vor einer Krise ehrlich mit möglichen Risiken befasst und interne Abläufe festgelegt hat, behält in der Ausnahmesituation den Überblick.

Dazu gehört auch der Mut, frühzeitig nach internen Schwachstellen zu suchen und diese innerhalb der Organisation zu benennen. Dafür gibt es in der Regel keinen Beliebtheitspreis. Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das seit Jahren die Bildung eines Betriebsrates verhindert, hat an dieser Stelle eine offene Flanke, egal was der Firmeninhaber oder der CEO dazu sagen. Erschwert wird die ehrliche Analyse oft durch die Belastungen des Tagesgeschäftes, die den Blick auf interne Risiken vestellen und eine strategische Planung verhindern.

Was helfen kann

Hier kann professionelle Beratung helfen, die eigene Situation mit Abstand ehrlich zu analysieren. Idealerweise steht am Ende des Prozesses ein klarer Fahrplan für die Bewältigung von Kommunikationskrisen. Dazu gehört das Wissen über die Basisanforderungen einer glaubwürdigen Krisenkommunikation. Vor allem Führungskräfte müssen sich in solch einer Situation auch unbequeme Fragen stellen lassen. Das gilt auch und gerade, wenn Fehler der eigenen Organisation aufgedeckt werden. Das ehrliche Einräumen von tatsächlichen Fehlern und Versäumnissen sollte selbstverständlich sein und ist beim Werben um Vertrauen der Königsweg.

Und wenn es doch schief geht?

Was tun, wenn man doch – vielleicht sogar schuldlos – Opfer einer falschen Berichterstattung wird? In manchen Fällen ist juristische Unterstützung sinnvoll. Vor allem wenn die Emotionen hochkochen, kann der Rat eines Fachanwaltes für Medienrecht sinnvoll sein, um die eigene Situation sachlich einzuschätzen. Das muss nicht bedeuten, dass man einer Redaktion gleich mit juristischen Schritten droht – im Gegenteil. Nach meiner Erfahrung kann es eher dazu beitragen sachlich und mit kühlem Kopf zu reagieren, wenn intern der Ärger hochkocht. Am Ende gilt: Auch ein Shitstorm geht vorüber. Es ist also wichtig, über den Tag hinaus zu planen. Nur wer in der Krise die Nerven behält, legt das Fundament für eine zukünftig erfolgreiche Kommunikationsarbeit.

 

Bei einem Präsenzseminar am 11. und 12. Juni 2024 in Wetzlar erhalten die Teilnehmenden Grundlagen für PR und Krisenkommunikation. Referenten sind Ulrich Effing und Andreas Dippel, veranstaltet wird das Seminar von faktor c und der publikon Medienakademie der Christlichen Medieninitiative PRO.

Weitere Infos: www.faktor-c.org/shitstorm

Zum Autor:
Ulrich Effing startete sein Berufsleben in der Lokalredaktion einer Tageszeitung, nach Stationen in einem Wirtschaftsverlag, einer PR-Agentur und einer Pressestelle in der Energiewirtschaft war er zuletzt 18 Jahre lang Leiter der Unternehmenskommunikation der internationalen DEICHMANN-Gruppe mit Sitz in Essen. Heute berät er Organisationen und Unternehmen in Fragen der strategischen PR und Krisenkommunikation

Kontakt: ulrich.effing@gmx.net