Wer die Geschichte der Windenergie in Deutschland schreibt, kommt an seinem Namen nicht vorbei: Joachim Fuhrländer zählt zu den Pionieren bei der kommerziellen Verwandlung von Wind in Strom. Doch sein großes Unternehmen ging vor über zwölf Jahren kaputt. Heute setzt er sich leidenschaftlich für Afrika ein – und sieht dort in Sachen erneuerbarer Energien eine noch größere Zukunft.
Von Marcus Mockler
Energie ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Welt nicht alles. Aber ohne Energie ist alles nichts. In einigen afrikanischen Ländern wäre man froh, wenn der Strom nicht mehrfach am Tag ausfiele. Unzuverlässige Energie aus der Steckdose macht das Leben überall schwer: Angefangen bei einem Kühlschrank, der nicht beständig kühlen kann, über Krankenhäuser, deren überlebenswichtige Geräte ohne Strom nicht laufen, bis hin zu Fabriken, die ihre Produktion ohne Energie unterbrechen müssen.
Hier kommt Joachim Fuhrländer ins Spiel. Der 65-jährige evangelische Christ aus dem Westerwald hat erneuerbare Energien zu seinem Lebensthema gemacht. Mit einem Joint Venture in China, das 70 Mitarbeiter beschäftigt, hat er eine hochmoderne Standardlösung zur Energieversorgunh sogar im Busch und mit einfachster Handhabung entwickelt: Sie besteht im Wesentlichen aus Solar-Panels, einem wetterfesten, klimatisiertem Schaltschrank und einem großen Batteriespeicher. Alles ist so aufeinander abgestimmt, dass sich die Anlage auch von Menschen aufbauen lässt, die keinen Meisterbrief als Elektriker haben.
Genauso ein System hat Fuhrländer vor wenigen Wochen für ein Waisenhaus und ein medizinisches Zentrum im Urwald von Kamerun in Betrieb genommen – bis zu 30 Kilowatt Leistung, dazu ein Speicher für 60 Kilowattstunden. Diese Systeme gibt es mit bis zu mehreren hundert Kilowatt Leistung und immer doppelt so vielen Kilowattstunden an Speicherkapazität. „Afrika kann über erneuerbare Energien viele Arbeitsplätze schaffen“, ist der Unternehmer überzeugt.
Rasante Entwicklung
Vor der Sonne hatte der Mann, dessen langes wildes Haar zu seinem Markenzeichen wurde, den Wind im Visier. Aus dem Schmiedebetrieb seines Vaters heraus entwickelte Fuhrländer mit seiner gleichnamigen Aktiengesellschaft ein Unternehmen für Windkraftanlagen. Das war in den 1980er-Jahren noch Pionierarbeit. Die Firma startete mit 100-Kilowatt-Anlagen und entwickelte sich hoch bis zu Turbinen für mehr als 3 Megawatt Leistung. Die AG expandierte rasant und avancierte zum Global Player, der kurz vor einem Riesen-Kontrakt mit Brasilien über mehrere hundert Windräder stand.
Warum das Unternehmen gegen die Wand fuhr und 2013 aufgeben musste, darüber gibt es verschiedene Versionen. Joachim Fuhrländer selbst hält es für eine Nachwehe der Finanzkrise, dass die Commerzbank seiner AG die Kredite strich. Er musste aussteigen – zu einem Zeitpunkt, als seiner Ansicht nach das Unternehmen angesichts avisierter Aufträge zu retten gewesen wäre. „Ich war nie insolvent“, betont er. Ein paar Monate nach seinem erzwungenen Ausstieg musste allerdings Insolvenz angemeldet werden.
Drei Jahre in Lebenskrise
Für den Vollblut-Unternehmer folgt die tiefste Krise seines Lebens. Sie sollte drei Jahre dauern. Er zieht sich zurück, leidet unter Schuldgefühlen und Selbstzweifeln. Seine Ehe war schon vorher in die Brüche gegangen, er lebt eine Zeitlang mit einer anderen Frau zusammen – wodurch er bei einigen frommen Christenmenschen in Ungnade fällt, so dass vor ihm gewarnt wird.
Fuhrländer sieht sich als Christ, geht aber gleichzeitig auf Distanz zu einer Glaubensrichtung, die bei ihrer Frömmigkeit sehr auf die Außenwirkung schielt. „Ich bin kein frommer Mensch. Ich bin auch kein Missionar und versuche nicht, andere zu belehren“, sagt er. In seiner Krise habe er die Erfahrung gemacht, dass manche Christen „ungnädiger als Gott“ mit anderen Christen umgingen und von einer „frömmelnden Gesetzlichkeit“ beherrscht würden.
Schließlich ist es sein Freund Fritz Pawelzik, ein ehemaliger CVJM-Missionar, der viele Jahre in Ghana und anderen afrikanischen Ländern gelebt hat, der ihm durch die schwere Zeit nach dem Verlust seiner Firma hilft. Pawelziks Erzählungen über die Herausforderungen Afrikas wecken in ihm den Wunsch, sein Wissen und seine Erfahrung für die Entwicklung des Kontinents einzusetzen. Fuhrländer erkennt das enorme Potential Afrikas und sieht in der Nutzung erneuerbarer Energien und in der Ausbildung junger Menschen den Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung.
15 Stromausfälle pro Tag
Den entscheidenden Anstoß erlebt er 2009 bei einem Besuch in einem Krankenhaus in Ghana, das unter 15 Stromausfällen pro Tag praktisch nur begrenzt arbeiten kann. Fuhrländer sieht in einem Solarsystem mit Energiespeicher die Lösung. In China bespricht er das mit seinen Partnern, die er seit 1998 kennt und schätzt. 2017 fast er den Entschluss, das Unternehmen AFREECA zu gründen. Energy & Education (Energie und Bildung) ist die Mission. Es ist auch das Jahr, in dem seine heutige Frau in sein Leben tritt: die Violinistin und gebürtige Ungarin Anna Hoppa, seit 2004 Hofkapellmeisterin in Bad Füssing bei Passau. Das Paar heiratet 2018. „Sie ist ein Geschenk“, sagt er und erkennt, dass es dank ihrer emotionalen Hilfe auch beruflich wieder voran geht.
Seitdem ist der Sonnenstrom-Botschafter, der bereits vor 24 Jahren einen kleinen Windpark der Megawattklasse in Südafrika gebaut hat, unermüdlich in Afrika unterwegs, um Projekte anzustoßen und umzusetzen. Geld ist und bleibt ein Problem. „In vielen Fällen müssen wir die Finanzierung mitbringen“, seufzt er. Dabei hat er durchaus Interesse, Solarenergie wirtschaftlich zu betreiben. Das heißt konkret: Er und sein Joint Venture verdienen am Verkauf der Anlagen, die afrikanischen Partner an Installation, Betriebsführung, Wartung und einer Provision.
Ökonomische Lösungen sind ihm die liebsten. „Ich bin kein Freund von Spenden“, sagt er. Die Katastrophenhilfe nimmt er dabei aus, lehnt aber den dauerhaften Spendenbetrieb ab. „Man gewöhnt sich an die Spenden – und sie machen abhängig“, bedauert er. Sein Fokus liegt dagegen auf nachhaltiger Entwicklung. Und sogar der ehemalige Insolvenzverwalter der Fuhrländer AG ist längst beim neuen Unternehmen eingestiegen – ein Zeichen, dass auch er ökonomisches Vertrauen in den Pionier hat.
Ein einzigartiges medizinisches Gerät hat er mit dem befreundeten Radiologen Professor Hans-Martin Klein erarbeitet: ein Solarbatterie-betriebenes Niederfeld-MRT (Magnetresonanztomograf), mit dem selbst im afrikanischen Busch Früherkennung und Diagnostik durchgeführt werden können. Es ist eine kleine Revolution auf diesem Sektor.
Das Ziel: Akademie für junge Leute
Joachim Fuhrländer hat die jungen Menschen auf dem Herzen. Als er selbst jünger war, engagierte er sich in der Jugendarbeit des CVJM. Als Unternehmer bildete er in großer Zahl junge Leute in der Firma aus. „Unternehmer haben immer eine sozialpolitische Verpflichtung“, findet er. Derzeit hat er die Vision, in Accra, der Hauptstadt Ghanas, eine Akademie für erneuerbare Energien einzurichten. An diesem Ort soll der Nachwuchs höhere Qualifikationen erreichen können, so wie sie in der globalisierten Wirtschaft erforderlich sind. Das Potenzial, Afrika mit Anlagen zur Gewinnung von Öko-Strom zu versorgen, sei unermesslich.
Doch auch bei dieser Akademie wird es seiner Erfahrung nach nicht ohne Partner und Sponsoren gehen. Er sucht Unternehmer und Vermögende, die bereit sind, auf diese Weise in die Zukunft des schwarzen Kontinents zu investieren. Zumal die Azubis etwas bezahlen müssten, die Akademie sich also mittelfristig selbst tragen solle. Vielleicht wird Joachim Fuhrländer auch in Afrika Geschichte schreiben – Solarenergie-Geschichte.
Internet: www.afreeca.com
Buchhinweis: Joachim Fuhrländer: Erneuerbar: Wenn Energie Zukunft gestaltet. Mein Leben als Windkraftpionier. 240 Seiten, 22 Euro. Bonifatius (Paderborn) 2023.