Von Lazaretten und anderen Hoffnungslosigkeiten

10.06.2020

Die Pestinsel vor Venedig. Ihr richtiger Name lautet Lazzaretto Vecchio, eine Insel in der Lagune vor Venedig, 220 Meter lang und bis zu 145 Meter breit, 2,6 Hektar groß. Sie ist unbewohnt und wird heute als Tierheim genutzt. Warum also Pestinsel, warum eine Bezeichnung voller Hoffnungslosigkeit? Also der Reihe nach.

 

Von Nazareth zu Lazarett

Es war im Mittelalter, als auf dieser Insel ein Kloster und eine Kirche lag: Santa Maria di Nazareth – Heilige Maria von Nazareth. Namensgeberin ist Maria, die Mutter von Jesus, aus dem israelischen Nazareth. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht Venedig einer der weltweiten Knotenpunkte des europäischen und weltweiten Handels gewesen wäre. Der Reichtum der venezianischen Kaufleute ist bis heute sprichwörtlich, ihr kaufmännisches und politisches Geschick war unübertroffen, die Lage der Stadt der ultimative Wettbewerbsvorteil. Aber mit den Waren reisten auch die Viren, transportiert von den Kaufleuten auf ihren weltweiten Reisen. Und so wurde Venedig pandemischer Hotspot für die Pest. Wohin auf einer Insel mit den Erkrankten, wohin mit den Sterbenden? Nichts zu tun hätte für alle Einwohner der Lagunenstadt den Tod bedeutet. Man entschloss sich, das Kloster Santa Maria di Nazareth zum Krankenhaus und Sterbeort zu machen. Aus dem Namensteil „Nazareth“ wurde über „Nazaretum“ am Ende das Wort, das wir bis heute kennen: lazzaretto – Lazarett. Vom Kloster zum Krankenhaus, von Nazareth zu Lazarett. Und die Insel erhielt ihren Namen „Lazzaretto Vecchio“ – Altes Lazarett, bald gab es nämlich für die Leichterkrankten ein Neues Lazarett auf einer anderen Insel.

 

„Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“

In das Alte Lazarett auf der Pestinsel wurden nur manifest Erkrankte gebracht. Es ging hier nicht um Krankenpflege, sondern um die Begrenzung der Seuchenausbreitung. Für die einzelnen Kranken ging es um das Sterben, die wenigsten genasen. Bis heute gibt es seltene Führungn über die Insel, bis heute wird dabei aus der „Göttlichen Kommödie“ von Dante Alighieri zitiert, einen der bekanntesten und bedeutendsten italienischen Dichter und Philosoph. In seinem Werk lautet die Inschrift auf dem Tor zur Hölle so:

„Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer,
Durch mich geht man hinein zum ewigen Schmerze,
Durch mich geht man zu dem verlornen Volke.
Gerechtigkeit trieb meinen hohen Schöpfer,
Geschaffen haben mich die Allmacht Gottes,
Die höchste Weisheit und die erste Liebe
Vor mir ist kein geschaffen Ding gewesen,
Nur ewiges, und ich muss ewig dauern.
Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“

Die letzte Zeile dieser Inschrift auf dem Tor zur Hölle wurde dann von Annibale Raimondo Veronese in seiner Pestschrift von 1576 aufgegriffen: „Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate!“ – Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

 

Von Lazaretten und anderen Hoffnungslosigkeiten

Hoffnungslosigkeit, das ist die Hölle, nicht nur auf der Pestinsel. Diese Hoffnungslosigkeit erlebte auch ein Mann namens Lazarus. Sein Name war übrigens vermutlich Schuld, dass wir bis heute für ein mobiles Krankenhaus das Wort „Lazarett“ benutzen – und nicht „“Nazarett“, aber das ist eine andere Geschichte.

Von diesem Lazarus berichtet uns das biblische Evangelium des Johannes, im 11. Kapitel.

Wir wissen von ihm, dass er aus dem israelischen Betanien stammte, mit seinen beiden Schwestern, Maria und Marta. Und wir wissen von ihm, dass er krank war, todkrank. Seine Schwestern setzten ihre Hoffnung auf seine Genesung in den Lehrer, Wanderprediger und Heiler Jesus von Nazareth. Für sie war er der Messias, der Erlöser und Sohn Gottes, der Christus. Sie baten ihn um einen Krankenbesuch, mit dem alles gut werden würde. Jesus kam tatsächlich – aber zu spät. Lazarus war gestorben.

 

Lazarus und Maria – eine Hoffnungsgeschichte

Maria hatte, wie ihre Schwester, ihre Hoffnung in Christus gesetzt, aber vergebens. Lazarus war gestorben. Und so verharrt sie in ihrer Hoffnungslosigkeit, als sich Jesus dem Ort nähert, bleibt einfach im Haus sitzen. Anders ihre extrovertierte Schwester; sie geht ihm entgegen und wirft ihm ihre Hoffnungslosigkeit vor die Füße: „Wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ Das Evangelium berichtet dann von einem faszinierenden Gespräch zwischen den beiden, an dessen Ende sie zu ihrer Schwester Maria läuft und ihr sagt: „Der Meister ist da und ruft dich.“

 

„Der Meister ist da und ruft dich“

Maria hört und gehorcht. Jetzt rennt sie ihm geradezu entgegen und spricht wie ihre Schwester. Aber ihre Hoffnungslosigkeit ist größer, weil ihre Hoffnung am Anfang größer war. Um das unglaubliche Ende kurz zu machen: Jesus weckt wieder Hoffnung in Maria – und erweckt Lazarus wieder zum Leben.

„Der Meister ist da und ruft dich“ – das ist der Beginn einer Hoffnungsgeschichte. Nicht nur für Maria und Lazarus, sondern für alle Hoffnungslosen, die diesen einladenden Ruf von Jesus Christus hören. faktor c – wie Christus. Dieser Faktor verändert alles. So kann Leben gelingen, auch in den Herausforderungen der Wirtschaft.

Michael vom Ende, Geschäftsführer von faktor c, einer Initiative von Christen in der Wirtschaft