Tüchtig!

20.05.2022

Wer versteht heute noch das Wort „tüchtig“? Sein Gebrauch ist seit 1950 massiv aus der Mode gekommen. Astrid Lindgren lässt Karlsson vom Dach sagen „Knallen muss es tüchtig und lustig will ich’s haben, sonst mach ich nicht mit.” Es soll also „sehr“ und „viel“ knallen.

Deutlich älter ist das Zitat des griechischen Philosophen Demokrit: „Es werden mehr Menschen durch Übung tüchtig als durch ihre ursprüngliche Aufgabe“. George Bernard Shaw konstatierte: „Eines der traurigsten Dinge im Leben ist, dass ein Mensch viele gute Taten tun muss, um zu beweisen, dass er tüchtig ist, aber nur einen Fehler zu begehen braucht, um zu beweisen, dass er nichts taugt.“ Und wir nicken zustimmend. Zuletzt soll der österreichische Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal mit einem nicht schmeichelhaften Zitat über die Menschen im Nachbarland zu Wort kommen: „Die Deutschen sind ernsthaft, sie sind tüchtig, sie arbeiten wie keine Nation auf der Welt, sie erreichen das Unglaubliche – aber es ist keine Freude, unter ihnen zu leben.“

Tüchtig zu sein bedeutet also ursprünglich „besonders befähigt“ und „besonders tauglich“. Und Tüchtigkeit ist damit die Zusammenfassung von „Fähigkeit, Kompetenz, Effizienz.“ Alle drei Begriffe sind im Blick auf Angestellte und Mitarbeitende wichtig; solche Leute werden gesucht. Je tüchtiger, umso besser!

 

Eine Aussage mit gesundem Selbstbewusstsein

Als der Mönch Martin Luther 1521 den zweiten Teil der Bibel übersetzt, findet dieses Wort Eingang in seine Arbeit. Der biblische Zusammenhang: Einer der wichtigsten Handelnden im Neuen Testament ist der exzellent ausgebildete, mehrsprachige und hochintelligente Theologe Paulus. Er reist durch die bekannte Welt – er hilft vielen Menschen zum Vertrauen in Jesus Christus und die neue christliche Lehre. Und er sammelt an vielen Orten diese Menschen, installiert und organisiert ihre lokalen Zusammenschlüsse, die Gemeinden. In der Welt- und Hafenstadt Korinth entsteht auch eine solche Gemeinde durch Paulus. Die Mitglieder aber würdigen nicht den Einsatz und das Engagement ihres Gründers. Und so schreibt ihnen der Theologe in Bezug auf seinen Einsatz und den seines Teams deutlich: „Wir sind tüchtig!“ Wir sind „besonders befähigt“ und „besonders tauglich“, fähig, kompetent und effizient. Eine Aussage mit gesundem Selbstbewusstsein!

 

Eine Frage mit gesunder Selbstkritik

Solch ein Selbstbewusstsein kann aber nur gesund bleiben, wenn es sich selbst von Zeit zu Zeit hinterfragt. Woher kommt die eigene Tüchtigkeit? Und so beginnt der Gründer Paulus sein Originalzitat mit den Worten: „DASS wir tüchtig sind…“ Wem sind diese Fähig- und Tauglichkeit, wem sind diese Kompetenz und Effizienz zu verdanken? Meinem Intellekt oder meiner Ausbildung, meinen günstigen familiären oder sonstigen Rahmenbedingungen. Wer oder was ist am Ende der „Vater des Erfolgs“? Solches Fragen erfordert Mut und ist eine Frage mit gesunder Selbstkritik.

 

Ein Hinweis mit weitreichenden Folgen

Die Erkenntnis ist überraschend. Für Menschen ohne Christus verstörend, für Menschen mit dem faktor c vorbildlich: „Dass wir tüchtig sind, ist von Gott.“ (2. Kor. 3, 5). Nun ist es raus – und verändert alles: Nicht ich bin mit meinen Fähigkeiten, meiner Kompetenz und Effizienz der „Vater des Erfolgs“. Ich kann und brauche mir nichts darauf einbilden. Was ich erreiche, ist ein Geschenk von Gott. Es klingt so einfach – und ist so kompliziert. Weil wir so gerne vor uns selbst und anderen glänzen und unseren Stolz kultivieren. Dass meine Tüchtigkeit ein Geschenk von Gott ist, ist ein Hinweis mit weitreichenden Folgen.

 

Michael vom Ende, Geschäftsführer

faktor c, eine Initiative von Christen in der Wirtschaft

www.faktor-c.org