60/20/20 oder Vor dem Reden kommt das Beten und das Verhalten
18.11.2020
Ich schreibe diese Zeilen am Buß- und Bettag 2020. Die Frage beschäftigt mich schon lange: Wie kommt die Gute Nachricht (deutsch für [griechisch] „Evangelium“) zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Zu Menschen mit gleichen Herausforderungen, Erlebnisse, Erfolge und Misserfolge wie ich und viele andere Mitchristen.
Wie kommt die Gute Nachricht zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Als ich jung und in der Jugendgruppe der Gemeinde war, hätte ich sofort geantwortet: „Durch mein Reden, durch mein mündliches Bezeugen“. Heute, einige Jahrzehnte später, habe ich manches gelernt:
* Die Leute achten vielmehr auf mein Auftreten, meine Körpersprache, mein „Sein“ als auf meine Worte.
* Von den Worten bleibt immer viel weniger hängen, als wir denken und wünschen! Das weiß jeder, der Lehrerin ist oder Kinder erzogen hat.
* Worte haben je mehr eine Wirkung, je mehr sie zu mir als Gesamtperson passen.
* Die Menge der Worte macht es nicht, sondern die Tiefe.
Wie kommt die Gute Nachricht zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Ich möchte eine knackige Antwort geben, die sich so in der Bibel findet. Die Antwort lautet: 60/20/20 – Beten/Verhalten/Reden. So sieht es nämlich eine Ausführung des Apostels Paulus im Kolosserbrief, Kapitel 4, 2-6. Dort spricht er drei Verse über das Beten (60%), ein Vers über das Verhalten (20%) und ein Vers über das Reden (20%). In dieser Gewichtung. Und in dieser Reihenfolge.
Durch Beten, beten, beten.
Wie kommt die Gute Nachricht zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Durch Beten, beten, beten. „Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss.“ (Kol. 4, 2-4). Gebet ist hier ausdrücklich die Vorbereitung zum Reden. Hier schreibt einer aus dem Gefängnis über grenzenlose Kommunikation. Ein wunderbares Lehrstück! Wenn Sie mögen, biete ich Ihnen das folgende liturgische Gebet an:
„Wir bitten dich für alle, die mit uns arbeiten und sich mühen im Gehorsam gegen deinen Willen. Weise ihnen deinen Weg und erquicke sie durch deine Kraft. Segne alle, die mit uns verbunden sind, auf den Wegen dieses Tages und dieser Woche. Wir bitten dich für alle, die leiden unter Misserfolgen und Fehlschlägen. Richte sie auf und stärke sie, dass sie nicht müde werden, sondern in getroster Zuversicht auf dich blicken. Hole die Verirrten zurück, bekehre die Verstockten, befestige die Bekehrten, segne jedermann in seinem Stand und Beruf und zeige uns allen die Güte deiner Hand.“
Durch das kluge Verhalten
Wie kommt die Gute Nachricht zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Durch das kluge Verhalten. „Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus.“ (Kol. 2, 5). Kluges Verhalten entsteht aus intensivem Gebet. Verhalten ist Silber, Beten ist Gold! Lebt weise! Seid gewöhnliche Leute mit ungewöhnlichem Verhalten. Beschäftigt euch mit den Menschen außerhalb des Reiches Gottes. Seid aufmerksam. Sprecht mit Gott über sie. Das entlastet euch und verändert zuerst euch. Lebt die Hoffnung darauf, dass Gott alles unsagbar gut macht! Behandelt nicht alle nach Schema F. Verliert das Ziel nicht aus den Augen, dass der andere Gottes Angebot sieht und hört. Drängelt nicht bei den anderen, drängelt bei Gott im Gebet. Schweigt, solange nichts zu sagen ist. Lebt so, dass bei den anderen Fragen entstehen. Damit ihr dann antworten könnt. Damit das gelingt, reicht kein guter Wille, sondern Weisheit von Gott. Die entsteht durch Danken und Bitten. Der kann sich richtig verhalten, der richtig betet. Und noch einmal habe ich ein liturgisches Gebet für Sie:
„Am Morgen kommen wir, Herr, zu dir.
Höre unsre Stimme, wenn wir rufen.
Wir bitten, behüte uns vor der Öde, in der die Seele verschmachtet
Vor Ängsten und Sorgen behüte uns.
Behüte uns vor schnellen Worten, die uns in Schuld verstricken.
Vor falschem Eifer und unheiligem Zorn behüte uns.
Gib uns für unseren Nächsten den Blick der Liebe, das rechte Wort, die helfende Tat.
Hilf uns, dass wir einander geben, was wir bedürfen.
Wir bitten dich für unsere Kinder
Und für alle, die uns verwandt und vertraut sind.
Wir bitten dich für die Menschen, die mit uns arbeiten.
Lass uns schaffen in Eintracht und Frieden.
Den Traurigen und Fröhlichen zeige dein Heil.
Den Gesunden und Kranken stehe du bei.
Beschütze die Guten und wehre den Bösen.
Behüte die Starken und stärke die Schwachen.
Wir loben dich, Herr, und beten dich an.
Du trägst uns alle mit deinem Erbarmen.“
Durch das richtige Reden
Wie kommt die Gute Nachricht zu Menschen, auch in der Wirtschaft? Durch das richtige Reden. „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt. (Kol. 4, 6). Reden ist das letzte Glied in der Kette, aber es gehört dazu. Das wir reden, ist klar – wie wir reden, entscheidend. Redet freundlich, dh. gewinnend, mit dem Charme echter Liebe. Lieblich. Freundlich. Anmutig. Und antwortet „mit Salz gewürzt“, dh. nicht kraftlos, nicht stereotyp, sondern packend, interessant und beeindruckend, so dass Lust auf mehr entsteht. Redet treffend und packend. Und individuell. Der kann richtig reden, der richtig betet und sich richtig verhält. Und noch einmal biete ich ein Gebet an:
„Gib mir die guten Gedanken, nimm mir das Netz vom Verstand, und lass mein Denken und Fühlen vor dir spielen, so wie ein Kind im Sand. Staunend und sehend, prüfend, verstehend nehm‘ ich die Welt an von dir; sie zu durchdringen, dir wiederzubringen, gib mir Gedanken dafür.
Gib mir den längeren Atem; mein Atem reicht nicht sehr weit. Ich will noch einmal verstohlen Atem holen in deiner Ewigkeit. Wenn ich die Meile mit einem teile, die er alleine nicht schafft, lass auf der zweiten mich ihn noch begleiten, gib mir den Atem, die Kraft.
Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton. Worte, die deutlich für jeden von dir reden, gib mir genug davon. Worte, die klären, Worte, die stören, wo man vorbeilebt an dir; Wunden zu finden und sie zu verbinden, gib mir die Worte dafür.“ (Manfred Siebald)
Michael vom Ende, Geschäftsführer von faktor c, einer Initiative von Christen in der Wirtschaft