Er nennt sich Ermutiger – und wer könnte in diesen Krisenzeiten nicht Ermutigung gebrauchen? Johannes Warth hat als Schauspieler und Clown gearbeitet, seit 30 Jahren unterstützt er Unternehmen mit dem ihm eigenen Humor. Im Gespräch mit Marcus Mockler empfiehlt er Führungskräften eine Rückbesinnung auf das, was wirklich zählt. Und warum er sich als „Schmuggler“ versteht.
Herr Warth, wir haben Wirtschaftskrise, Umweltkrise, politische Krisen – wo bleibt da der Raum für Leichtigkeit?
Indem wir erkennen: Es ging Menschen auf deutschem Boden noch nie so gut wie uns. Unsere Krisen stehen in keinem Verhältnis zu den Krisen unserer Vorfahren. Mein Urgroßvater hat noch im deutsch-französischen Krieg 1870/71 gekämpft. Stell dir vor, du bist 1900 geboren. Das war ein Zeitalter des Aufbruchs, auch kulturell. Das Automobil ist kurz vorher entdeckt worden. Es ging also enorm aufwärts. Doch mit 14 hättest du den ersten Krieg erlebt und wärst vielleicht kurz vor 1918 selbst noch eingezogen worden. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, dann kam der nächste, noch größere Krieg. Hättest du den überlebt, wären die Zeiten bis 1952, der Wiederaufbau, sehr herausfordernd gewesen. Es folgte 1961 der Mauerbau, Panzer fuhren auf. Es ist also wichtig, dass wir unsere Zeit in Relation sehen. Das bedeutet nicht, dass wir in allem Hurra schreien. Wir brauchen die Balance zwischen dem, was für uns wirklich ist, und dem, was unsere Existenz bedroht. Viele Baustellen um uns sind nicht existenziell, sondern eher Luxusprobleme.
Und wie können wir bei uns den Schalter umlegen?
Das funktioniert durch eine Veränderung des Fokus. Es gibt die biblische Aufforderung, dass wir uns freuen sollen, auch wenn wir in einer schwierigen Situation sind. Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Wenn wir in Dankbarkeit, in Verbindung mit Gott unser Leben sehen, ändert sich die Perspektive. Mein Urgroßvater hatte 18.000 Goldmark im Ersten Weltkrieg als Kriegsanleihe verloren. Das wäre heute ein riesiger Geldbetrag. Und er hat nach dem Verlust gesagt: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gepriesen sei der Name des Herrn.“ Und dann hat er weiter gearbeitet, in einer dankbaren Haltung.
Aufhören mit dem Vergleichen
Haben wir nicht ganz andere Sätze verinnerlicht als Dankbarkeit?
Das stimmt. Verabschieden wir uns deshalb von dem Satz „Mehr ist nicht genug“. Dieser Satz treibt viele an. Wir vergleichen uns, und das ist der Anfang des Unglücklichseins. Es gibt immer Leute, die mehr Erfolg haben als wir, mehr Wohlstand, mehr Sicherheiten. Neben denen fühlen wir uns klein. Hören wir damit auf, uns zu vergleichen. Ich habe heute Holz geholt, um einen Zaun zu bauen. Ich empfand eine riesige Dankbarkeit, als ich das ganze Holz geladen hatte. Nun könnte ich natürlich sagen: Wie furchtbar, dass ich den Zaun selber bauen muss, während andere das einfach eine Firma erledigen lassen.
Eine Firmenchefin würden sagen: Das hört sich schön an, ober ohne das „Mehr“ kommt meine Firma nicht voran…
Ich stelle manchmal Unternehmern genau diese Frage: Ganz ehrlich, hast du Not? Die meisten Antworten: Nein, überhaupt nicht. Aber das Wirtschaftsdenken heißt: Stillstand ist Rückschritt. Es muss immer noch mehr, noch mehr werden. Das endet nie, und deshalb sind viele unglücklich.
Trotzdem gilt der Grundsatz: Firmen müssen wachsen, es muss „mehr“ werden.
Ich war zu Gast in einem Unternehmen, und am Anfang verkündete der Chef: „Das vergangene Jahr war das erfolgreichste unserer Unternehmensgeschichte. Aber da ist noch mehr drin.“ Später sprach ich mit ein paar Mitarbeitern, und die sagten: „Mir steht‘s ganz oben. Wir haben geschuftet wie wild. Und das soll immer noch nicht genügen?“ In der Firma habe ich dann später gesagt: „Ja, hier ist noch mehr drin. Mehr an Werten, mehr an gutem Zusammenhalt, mehr an glücklichen Mitarbeitern. Dann wird es auch ein monetäres Mehr geben.“
Künstliche Verlustängste
Die Psychologie sagt, unsere Angst vor Verlusten ist stärker als unsere Hoffnung auf Gewinne. Prägt das unsere Zeit?
Verlust wird einem teilweise nur suggeriert. In diesem Jahr berichten die Reisebüros, dass noch nie so viel geflogen wurde wie jetzt. Wenn mein Fokus darauf liegt, noch mal ein paar Urlaubsreisen in ferne Länder zu machen, dann bekomme ich natürlich Angst, dass ich mir die Kanada-Reise nicht mehr leisten kann.
Was hat sich in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren in deutschen Firmen verändert?
Optimierung und Gewinnmaximierung sind die Antriebsfedern für viele, und das hat sich noch verstärkt. Wenige trauen sich den Weg des Reduzierten zu gehen. Das ist ein herausfordernder und schwerer Weg. Hier lautet dann das Motto „Weniger ist mehr!“ Und dies wird für viele die einzige Möglichkeit, ihr Unternehmen weiterzuführen – in Bezug auf weniger Menschen auf dem Arbeitsmarkt und darauf, dass jetzt viele auch schon mit 50 aufhören wollen zu arbeiten. Das hat aber dann auch zur Folge, dass du mit denen, die weiterhin für dich arbeiten, besonders gut agieren musst. Hier ist vor allem ein gutes Miteinander angesagt. Nur so kannst Du dann Dein Niveau halten.
Heißt das, wir sollten nicht nur nach gesundem Wachstum fragen, sondern auch nach gesundem Schrumpfen?
Zumindest lohnt es sich, darüber nachzudenken. Ich kann gesund verkleinern, indem ich immer wieder die Sinnfrage stelle. Was mache ich hier eigentlich? Und warum? Wem diene ich? Was muss ich wirklich haben, was ist wirklich wichtig? Welche Anschaffungen sind wirklich wichtig, und muss ich dafür sehr viel mehr arbeiten. Brauche ich das wirklich?
Erfolg durch Lügen?
Was hat sich noch verändert?
In einigen Wirtschaftsbereichen höre ich leider den Slogan: „Seitdem wir lügen, sind wir sehr erfolgreich.“ Das fängt schon bei den Verkaufsstrategien an. Ständig hören wir, wir müssten jetzt sofort bestellen, weil das Angebot in wenigen Stunden ausläuft. Und am nächsten Tag gibt es das wieder. Ich bekam eine Verkaufsmail mit der Überschrift: „Das ist deine letzte Chance. Die letzte Stunde hat für dich geschlagen.“ Ich verfasste eine E-Mail mit der Antwort: „Über die letzte Stunde in meinem Leben bestimmt Gott. Und nicht du.“ Aber eigentlich will ich mich auf diese Art der Werbung gar nicht einlassen, deshalb habe ich die Mail nicht abgeschickt. Für mich selber war es wichtig, sie zu schreiben. Und es wird uns in der Werbung so viel vorgegaukelt. Da ist so viel Lüge.
Wenn ich durch Dankbarkeit und Nachdenken wieder mehr Leichtigkeit in mein Leben gebracht habe — wie bringe ich das dann auch in meine Organisation?
Durch die richtige Führung. Viele Führungskräfte sind total überfordert. Vor allem wissen sie oft nicht, wie man richtig kommuniziert. Mitarbeiter beklagen sich: „Mir hat keiner was gesagt, ich habe das nicht mitgekriegt.“ Und dann bekommen sie als Antwort, man habe ihnen doch eine E-Mail geschrieben. Viel besser wäre es, sich mit den Teammitgliedern zu besprechen: „Wo in diesem Projekt siehst du dich?“ Und wenn die Aufgabe für den Mitarbeiter klar ist, hat die Führung dafür zu sorgen, dass ihm die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Wenn die Führungskraft die Dinge nicht im Vorfeld richtig klärt, muss sie am Ende vieles selber machen.
Führung lernen
Brauchen unsere Führungskräfte Nachhilfe?
Ich meine, Menschen in Leitungspositionen sollten gute Führungsseminare besuchen. Denn die meisten haben nie Führung gelernt. Das hat in Studium und Ausbildung praktisch keine Rolle gespielt. Führung heißt für viele immer noch: „Ich Chef, du machen.“
Das werden Führungskräfte vermutlich nicht gerne hören.
Naja, Mitarbeiter beklagen sich, dass sie nicht informiert seien oder dass sogar ein ganzes Projekt, an dem sie wochenlang gearbeitet hatten, einfach umgestellt oder gestrichen wurde. Im schlimmsten Fall sagt der Chef dann noch den Satz: „Ich bezahle ja die Leute. Die sollen zufrieden sein.“ Das ist eine Katastrophe.
Warum?
Stell dir vor, dein Sohn feiert Geburtstag und bittet dich, das Fest zu organisieren. Du übernimmst mit großer Sorgfalt diese Aufgabe, und drei Tage vor dem großen Tag sagt der Sohn: „Papa, wir haben uns das überlegt, ich geh doch lieber mit drei Freunden aus. Danke für deine Arbeit.“ Und ergänzt: „Du kannst ja froh sein, jetzt kostet dich das Fest nichts.“ Das wird dich total traurig machen – und das gesparte Geld ist kein Trost. Du hast dein Herzblut reingesteckt.