Still, es ist unheimlich still. Ich sitz alleine hier, ein Häftling der Wohnungstür. 
Weil ich nicht fragen mag, ob Sonntagnachmittag mich jemand treffen will, bleibt alles still.“  

So textete der Musiker Andreas Malessa schon 1985. Vor zwei Jahren meldeten die Medien, Einsamkeit sei mittlerweile – so wörtlich – „die vielleicht größte Volkskrankheit“. Im vergangenen Jahr wurde ein „Einsamkeitsbarometer“ angekündigt, schon 2023 hatte das Bundeskabinett eine „Einsamkeitsstrategie“ beschlossen. In Großbritannien oder Japan beispielsweise gibt es mittlerweile eigene Ministerien für die Belange Einsamer. Einsamkeit bedrohe die Psyche, aber auch die körperliche Gesundheit. 

Einsamkeit als Bedrohung in einer lauten Welt? 

Ich will all das nicht kleinreden, aber ich möchte unsere Welt grundsätzlicher infrage stellen. Einsamkeit hat mehr als diese Facette, auf die wir so unser Augenmerk richten. Könnte es sein, dass wir Einsamkeit als Bedrohung betrachten, weil nicht gesehen, nicht wahrgenommen, nicht gehört zu werden in unserer Welt das maximale Scheitern bedeutet? Ist unsere Welt eine „laute Welt“, die vielleicht am meisten von uns mit Geräuschen und Tönen, Schreien, Reden und Rufen gefüllt wird, weil die Stille sonst unerträglich wäre? Es eine „gottlose Stille“ wäre, weil wir ihn abgeschafft haben? Dann ist Einsamkeit wirklich grausam für die Gesellschaft und für den Einzelnen. Dann braucht es Barometer und Strategien, Ministerien und Kampagnen gegen Einsamkeit wie im schwedischen Luleå, wo eine Aktion Menschen ermutigt, sich auf der Straße freundlich mit einem „Hej“ (Hallo) zu grüßen.  

Einsamkeit als Chance für den abgeschafften Gott? 

Nicht immer hatte Einsamkeit solch einen negativen, gefährlichen Klang wie aktuell.  

So schrieb z. B. im letzten Jahrhundert der kolumbianische Philosoph Nicolás Gómez Dávila: „Der Einsame ist der Delegierte der Menschheit für das Wichtige.“ Wichtiges, ja Entscheidendes kann vielleicht nur in der Einsamkeit an- und ausgesprochen, be- und durchdacht werden. Wir tun alles, um die Einsamkeit zu bekämpfen – und übersehen vielleicht die Chancen, die auch in ihr liegen. Man muss nicht ins Kloster gehen wie der Journalist Tobias Haberl, der in seiner Beschreibung seines Aufenthaltes in seinem Buch „Unter Heiden“ Dávila zitiert, aber es muss natürlich etwas oder jemanden geben, zu dem der Einsame delegiert ist.  

Schweigen als Begegnung mit dem Ewigen 

100 Jahre vor Dávila hatte schon sein dänischer Kollege Søren Kierkegaard notiert:  

„Der heutige Zustand der Welt, das ganze Leben ist krank.  Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte, was rätst Du? 
Ich würde antworten: Schaffe Schweigen! 

Bringe die Menschen zum Schweigen. Gottes Wort kann so nicht gehört werden. Und wenn es unter der Anwendung lärmender Mittel geräuschvoll hinausgerufen wird, dass es selbst im Lärm gehört werde, so ist es nicht mehr Gottes Wort. 
Darum schaffe Schweigen.“ 

Seit dem 19. Jahrhundert ist unsere Welt exponentiell lauter geworden und Einsamkeit mehr und mehr als Gefahr identifiziert. Zum Ende des vergangenen Jahres hatte ich in unserem Newsletter gefragt: „Wo wollen wir 2025 wirtschaftlich hin, wo sind unsere menschlichen Ziele, wo unsere geistlichen?“ Wer Gott hören, wer auf ihn hören will, braucht Schweigen. Nicht immer, aber immer wieder. In der Gruppe oder allein. So wie Jesus Christus.  

 „Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott.“ (Lukas 6, 12). „Und es begab sich, dass er mit sich nahm Petrus, Johannes und Jakobus und ging auf einen Berg, um zu beten.“ (Lukas 9, 28) 

 Er hat es vorgemacht, immer wieder die Einsamkeit und Stille zu suchen, um Gottes Wort zu hören und Orientierung zu finden. Schaffen wir Schweigen, hörende Stille – sonst finden wir keine Antwort auf die Frage, wo wir 2025 hinwollen. 

Michael vom Ende 
Geschäftsführer faktor c 

www.faktor-c.org