Bereits vor zwanzig Jahren wurde behauptet, dass „die Stunde der Frauen kommt“, meistens verbunden mit einem Loblied auf ihre sozialen Kompetenzen, die am Arbeitsplatz wichtiger seien als je zuvor. Meine Beobachtung ist die, dass die meisten Führungsetagen immer noch ganz gut ohne Frauen auskommen. Doch langsam geraten die Dinge in Bewegung.
Im Herbst 2022 meldete die deutsch-schwedische AllBright Stiftung einen Frauenanteil von 20 Prozent in den Vorständen börsennotierter DAX-Unternehmen. Es gibt also Anlass zu leichtem Optimismus. Leider setzen sich 58 aller 160 DAX-Unternehmen noch die „Zielgröße Null“ für ihren Vorstand. In vielen Konzernen wird also im operativen Management auf die Mitwirkung von Frauen verzichtet.
Viele Frauen beweisen ihr Können durch gute Noten und hohe Bildungsabschlüsse, doch dann fallen sie aus dem System. Denn an den Wendepunkten „Aufstieg in Führungsetagen“ ändern sich die Spielregeln im Job, und dadurch bleiben viele Frauen auf der Strecke. Während junge Frauen in Schule und Ausbildung und auch noch beim Berufseinstieg für ihre guten Leistungen belohnt werden, werden spätestens bei der Besetzung einer Führungsaufgabe die Karten neu gemischt.
Frauen hadern mit Machtstrukturen
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Da ich als 16-Jährige mit dem Schulabschluss der Mittleren Reife in den Beruf eingestiegen bin, war ich sowieso fast immer „zu jung“ für den nächsten Karriereschritt. Ich war fleißig, zuverlässig, sympathisch und ehrgeizig und konnte ausgesprochen gut mit Kunden umgehen. In den ersten Berufsjahren musste ich jedoch feststellen, dass diese Kompetenzen eher kontraproduktiv waren. Denn meine Vorgesetzten wollten keine Mitarbeiterin verlieren, die ihnen Tag für Tag mit Energie und Power jede Menge Arbeit wegschaffte.
Also musste ich mir überlegen, welche Kompetenzen ich erwerben muss, um nicht mein Leben lang an einem Bankschalter Belege für Ein- und Auszahlungen zu schreiben. Schnell habe ich realisiert, dass es auf meine Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften nicht wirklich ankommt, wenn ich eine Führungsaufgabe anstrebe. Hier waren selbstbewusstes Auftreten, Handlungsorientierung, Durchsetzungsstärke und das konsequente Anmelden von Ansprüchen gefragt. Das hat mir jede Menge Angstschweiß ins Gesicht getrieben und mir die eine oder andere schlaflose Nacht beschert. Denn diese Eigenschaften wurden mir nicht in die Wiege gelegt. In meinem Umfeld kannte ich jede Menge dominanter Männer, aber keine einzige Frau, die für mich Vorbild war.
Stunde der Frauen ist gekommen
Was spricht für meinen verhaltenen Optimismus, dass die „Stunde der Frauen“ gekommen ist? Gerne würde ich jetzt schreiben, dass eine gewisse Einsicht in die Chefetagen eingezogen ist. Darauf müssen wir wohl noch eine Weile warten. Unsere Chance ist die Demografie. In den nächsten Jahren werden die Weichen gestellt, wer zukünftig Verantwortung in Chefetagen übernimmt. Frauen, die Lust auf Karriere haben, Führung und Verantwortung übernehmen wollen und sich von überflüssigen Rollenmustern nicht ausbremsen lassen, sollten JETZT ihren Hut in den Ring werfen und Führungsanspruch anmelden. Am Arbeitsplatz ist Respekt nebenbei bemerkt wichtiger als Beliebtheit. Menschen müssen Sie in aller erster Linie ernstnehmen, nicht mögen.
Das Licht auf dem Scheffel
Ein Zitat von Nelson Mandela macht Mut, sein Licht auf den Scheffel zu stellen:
„Unsere größte Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind. Unsere größte Angst ist, dass wir unermesslich stark sind. Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit. Wir fragen uns, wer bin ich denn, dass ich brillant, großartig, talentiert und begnadet sein kann? Ja, wer bist Du eigentlich, dass Du es nicht sein dürftest?
Du bist ein Kind Gottes. Dich klein zu machen, dient der Welt nicht. Es bringt nichts, sich ständig zurückzunehmen, nur damit sich andere in Deiner Nähe nicht unsicher fühlen. Wir sind geboren, um der Herrlichkeit Gottes, die in uns ist, Ausdruck zu verleihen. Sie ist nicht nur in manchen von uns, sie ist in jedem einzelnen.
Und wenn wir unser Licht leuchten lassen, ermutigen wir andere Menschen dazu, dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, dann befreit unsere pure Gegenwart auch andere.“