Wirtschaftsethiker: Staat nicht mit Gott verwechseln
In der Diskussion um eine Übergewinnsteuer für Unternehmen, die in der Krise profitieren, warnt der Wirtschaftsethiker Joachim Fetzer vor überzogenen Erwartungen an den Staat. „Er müsste Eigenschaften haben, die traditionell Gott zugeschrieben werden.“ Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte der Honorarprofessor der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, er verstehe den Wunsch der Menschen nach einem Richter, der empfundene Ungerechtigkeit wieder in Ordnung bringt. Er halte es aber für ein Rollenmissverständnis, dass der Staat diese Aufgabe in jedem Einzelfall übernehmen könne.
Der Staat habe nicht die Macht, Unternehmen für ihr „unanständiges Verhalten“ angemessen zu bestrafen. Dazu müsste der Staat wissen, wie genau die Preisfindung zustande kommt und wie die Kostenstrukturen innerhalb der Unternehmen sind, um definieren zu können, ab wann ein Übergewinn vorliege. Für Strafen seien außerdem Gerichte zuständig. „Und dann müsste der Staat einer sein, der gütig nur das Wohl und das Recht der Bürger im Auge hat“, sagte Fetzer. „Der Staat ist weder allmächtig noch allwissend noch allgütig und in diesem Fall als Bestrafungsinstanz vollkommen fehl am Platz.“ Eine vom Magazin „Stern“ in Auftrag gegebene Umfrage hatte ergeben, dass sich 72 Prozent der Bundesbürger für die Einführung einer zusätzlichen Steuer für krisenbedingte Übergewinne aussprechen.
epd