„Wir sind als Christen zu wenig strategisch aufgestellt“
Seit Jahrzehnten als Christ in der Wirtschaft unterwegs: Lebenserfahrungen von Jörg Knoblauch
Er war auf allen Kontinenten und hat dort erlebt, wie Christen sich ins Wirtschaftsleben einbringen. Der Unternehmer Jörg Knoblauch hat sich selbst in zahllosen christlichen Initiativen engagiert, unter anderem in den 90er Jahren als Vorsitzender von faktor c. Im Interview erklärt er, warum die Vernetzung christlicher Führungskräfte so wichtig ist, wieso die Bibel das Aussortieren unwilliger Mitarbeiter geradezu gebietet und aus welchem Grund die christlichen Wirtschaftsverbände kaum wachsen.
Herr Prof. Knoblauch, ein junger Christ startet als Unternehmer. Welchen wichtigsten Rat würden Sie ihm für seinen Weg mitgeben?
Der erste und wichtigste Rat ist: Halte dich eng an Jesus Christus und sei mit ihm im Reinen. Frage immer, was geistlich gesehen der richtige Weg ist.
Sie haben vor knapp 20 Jahren ein Buch über „Kingdom Companies“ geschrieben. Worum ging es da?
Eine Kingdom Company braucht einen Chef, der sich dem Reich Gottes (Kingdom) verpflichtet weiß. Das ist das A und O. Du als Verantwortlicher in deiner Organisation musst das Reich Gottes im Blick behalten. Daran hängt die ganze Wertethematik, die immens an Ansehen gewonnen hat. Etwa durch „Werte machen wertvoll“ und andere Slogans. Der Kongress christlicher Führungskräfte hatte den Leitsatz „Mit Werten in Führung gehen“. Es gab sogar die Überlegung, den Kongress in „Wertekongress“ umzubenennen.
Die Idee der Kingdom Company wurde also gut aufgenommen?
Offen gesagt hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich das Buch gut verkauft. Tatsächlich ist es mit einer Auflage von 8.000 unter die Leute gegangen, was eine ziemlich hohe Zahl ist. Das Thema, wie man Christsein und erfolgreiches Unternehmertum zusammenbekommt, ist zentral. Aber es sieht natürlich für jeden anders aus. Ich empfehle jedem, Mitglied in einer „WiBi“-Gruppe von faktor c zu werden. Das praktiziere ich selbst seit Jahrzehnten, und die Gemeinschaft mit anderen Christen hat mich geistlich entscheidend vorangebracht.
Mehr „Kingdom Companies“
Trotz des Verkaufserfolges des Buchs: Ich treffe heute kaum Unternehmer, die sagen, sie hätten eine „Kingdom Company“. Ist die Wirkung des Buchs im deutschsprachigen Raum verpufft?
Das glaube ich nicht. Das Thema hat an Fahrt aufgenommen. In den 90er-Jahren war ich bereits Mitglied in 18 christlichen Wirtschaftsorganisationen. Heute wären es wahrscheinlich noch mal fünf mehr. Die Zahl der Kingdom Companies ist mit Sicherheit gewachsen. Meine Schätzung: Etwa ein Prozent der Firmen in Deutschland sind von sehr engagierten Christen geführt. Die sind besonders fair gegenüber Kunden und Geschäftspartnern, die spenden, die haben einen besseren Umgang mit ihren Mitarbeitern.
Hat das die unterschiedlich geprägten christlichen Wirtschaftsverbände näher zueinander gebracht?
Meinem Eindruck nach ja. Ich erinnere an den Wittenberg-Kongress 2016 und den MUT-Kongress 2020, beide von einer breiten Allianz getragen. Die gewachsenen Verbindungen sind genial. Es ist das neue Normal, dass diese Gruppen bestens zusammenarbeiten.
Christliche Wirtschaftsverbände zeigen eine mehr oder weniger stabile Größe, wachsen aber nicht. Woran liegt das?
Ich befürchte, es liegt daran, dass wir überall zu wenig strategisch aufgestellt sind. Wir haben keinen Funnel, also einen richtungsführenden Trichter, der bei öffentlichen Veranstaltungen beginnt und dann weitergeht über Kontaktgruppen bis hin zur Gewinnung von Freunden, Mitgliedern und Mitarbeitern. Es bleibt so vieles dem Zufall überlassen. Wir haben ja tolle Veranstaltungen, zu denen auch Menschen kommen. Aber wir haben keine Strategie, sie systematisch in weitere Gruppen und Kreise zu überführen.
Ich würde jedem christlichen Manager raten: Schau dich um nach fünf oder sechs christlichen Freunden in anderen Unternehmen und treffe dich mehrmals im Jahr mit Ihnen. Schütte dort dein Herz aus, beratet einander kollegial, und ihr alle werdet gesegnet sein. Von solchen Gruppen sollte es noch mehr in Deutschland geben. Die Frage ist nur: Gehen wir über diesen Kreis hinaus? Bringen wir Menschen etwa zu einem regionalen Kongress zusammen?
Von den USA lernen
Wie sieht es international aus? Wo leben christliche Unternehmer profilierter als im deutschsprachigen Mitteleuropa?
Die Maßstäbe setzen da vermutlich nach wie vor die USA. Ich habe vor über 30 Jahren die Arbeit des Christian Businessmen Committee (CBMC) kennengelernt. Es hat mich sehr beeindruckt, wie global dort gedacht wurde. Amerikanische christliche Unternehmer waren schon im Ostblock am Start, als das für uns in Deutschland noch sehr abgelegen schien. Großes Wachstum in der christlichen Geschäftsleute-Arbeit sehe ich in Südamerika, etwa in Brasilien. Wer dort als Tourist hingeht, sollte unbedingt auch mal ein paar Leute treffen, die als Christen in der Wirtschaft vorbildlich arbeiten.
Die christliche Landschaft in den USA ist mit Europa schwer vergleichbar.
Das stimmt. Ein wichtiger Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist, dass es drüben immer mehr Megachurches gibt, die wöchentlich mehr als 5.000 Gottesdienstbesucher habe. Und Gemeinden in dieser Größe richten ihre eigenen Business-Gruppen ein. Das bringt Schwung in die Bude.
Konkurrenz durch große Gemeinden
Machen das Gemeinden in Deutschland auch?
Ja, das fängt nun bei uns auch an. Ich kenne mehrere große Gemeinden – da kommen dann 400 bis 500 Leute sonntags in den Gottesdienst –, die ihre eigene Business Lounge eröffnet haben. Christliche Geschäftsleute treffen sich vier Mal im Jahr, um über ihre Themen zu sprechen. Das sind sehr erfolgreiche Gemeinden, und in gewisser Weise ist das auch die neue Konkurrenz zur Arbeit unserer christlichen Wirtschaftsverbände.
Gibt es einen christlichen Unternehmer, der für Sie das große Vorbild ist?
Viele Jahre war das für mich Klaus Dieter Trayser, der Gründer der Finanzberatungsorganisation Plansecur. Als ich ihn kennenlernte, warf er noch für jedes private Telefonat, das er von der Firma aus mit seiner Frau führte, 20 Pfennige in ein Kässchen. Er wollte sich keinen privaten Vorteil verschaffen. Seine Bescheidenheit, Demut und Konsequenz haben mich tief beeindruckt.
Was war Ihr größter Erfolg als Unternehmer?
Nach außen war das sicher der Gewinn des höchsten deutschen Wirtschaftspreises, des Ludwig-Erhard-Wettbewerbs, der uns in der Frankfurter Paulskirche verliehen wurde. Ehrlicherweise muss ich sagen: Das war der Erfolg meines damaligen Kompagnons Jürgen Kurz, der dafür sehr hart gearbeitet hatte.
Stolz bin ich auf das, was heute mit unseren Unternehmer-Reisen gelingt. Wir bringen Leute ins Silicon Valley, nach Israel, nach China und zeigen Ihnen, wie die Zukunft aussehen wird. Das hat eine wahnsinnig starke Wirkung auf die Teilnehmer, verändert ihr Denken und ihr wirtschaftliches Handeln. Ich glaube, mit diesen Reisen haben wir viele Firmen fit für die Zukunft gemacht. Wir haben die Elite Deutschlands zu diesen Brennpunkten der Innovation gebracht.
Vertrauen darf nicht blind sein
Was war Ihr größter Fehler als Unternehmer?
Ich habe immer wieder Menschen zu viel Vertrauen geschenkt, manchmal geradezu blind vertraut. Das hat mich viel Lebensfreude und auch viel Geld gekostet. Aber nur misstrauisch durch die Welt zu gehen, macht auch keinen Spaß – dann sollte man lieber alleine bleiben.
Sie vertreten ein Konzept, Mitarbeiter in A (Topleister), B und C (Minderleister) zu unterteilen – und sich möglichst von den C’s zu trennen oder sie im Unternehmen umzusetzen. Ist so ein Sortieren mit der christlichen Botschaft vereinbar?
Von Firmen höre ich dazu überhaupt nichts Kritisches mehr, weil sie unter der Dramatik schwacher Mitarbeiter zu sehr leiden. Die Größe des Problems stellt heute niemand mehr in Abrede. Aber es gibt auch biblische Geschichten, die diesen Gedanken unterstützen. Etwa das Gleichnis, das Jesus Christus erzählt, bei dem Mitarbeiter unterschiedliche Beträge zum Wirtschaften bekommen. Zwei dieser Mitarbeiter erwirtschaften Gewinne, einer vergräbt das Geld und gibt es nachher einfach zurück. Diesem letzten werden ewige Höllenqualen angedroht, weil er sich nicht für die Interessen seines Chefs eingesetzt hat. Es gibt eine andere Stelle in der Bibel, bei der ein Feigenbaum sterben muss, weil er keine Frucht bringt. Also, die Bibel ist bei diesem Thema wenig zimperlich.
Gleichzeitig haben Sie auch sehr herausfordernde Bücher für Chefs geschrieben, denen für Wohl und Wehe einer Organisation eben doch die Hauptverantwortung zukommt. Ist die deutsche Wirtschaft führungsstark oder eher führungsschwach?
80 Prozent der deutschen Wirtschaft besteht aus kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs). Diese Mittelständler sind führungsstark. Sie führen vielleicht nicht immer gut, aber sie nehmen Verantwortung wahr, und das ist stark. Dieses System ist so großartig, dass es derzeit exportiert wird. Es interessiert sich kaum jemand so sehr für unseren Mittelstand wie China. Dort werden in jeder großen Stadt Schulen aufgebaut, in denen man deutschen Mittelstand lernen kann. Da geht es um kleine Firmen, exportorientiert, mit Chefs, die Verantwortung übernehmen.
„Wir könnten professioneller sein“
Eines Ihrer Anliegen war immer: Die Kirche soll von der Wirtschaft lernen – etwa Managementtechniken. Dagegen gab und gibt es Widerstand. Haben Sie dafür Verständnis?
Wir hatten in den 80er Jahren die Arbeitsgemeinschaft für Gemeindeaufbau (AGGA) gegründet, die genau das verfolgen sollte. Und das war eine Zeit lang recht erfolgreich, so hatte etwa unsere Zeitschrift 4.500 zahlende Abonnenten. Aber irgendwann sagten wir: Die Pfarrer, die es hören wollen, haben es gehört. Und die anderen dafür zu gewinnen, wird kaum gelingen. Deshalb haben wir die Organisation heruntergefahren. Die Botschaft ist also in Teilen angekommen, verändert hat sich aber aus meiner Sicht immer noch nicht genug. Vieles, was im Reich Gottes läuft, könnte sehr viel professioneller sein.
Sie haben als Unternehmer riesigen Wert auf Exzellenz gelegt und den Ludwig-Erhard-Wettbewerb gewonnen. Ist das Thema bei christlichen Unternehmern angekommen? Müssen Christen „exzellenter“ sein als die Konkurrenz?
Ja, schon. Aber mit zunehmendem Alter werde ich in diesem Punkt gnädiger. Auch hier sind Verbündete extrem hilfreich. Triff dich regelmäßig mit denen, tausche dich aus. Es gibt sehr viele Lösungen auf dieser Welt, die du nicht kennst, die du aber durch die Schwestern und Brüder kennenlernst. Das hilft gegen die Gefahr der Selbstgenügsamkeit. Und es ist besonders stark, wenn man in dieser Gruppe füreinander betet.
Wir danken für das Gespräch.
Zur Person:
Prof. Jörg Knoblauch, Jahrgang 1949, ist Unternehmer, Berater und Publizist. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hat das tempus-Zeitplansystem entwickelt. Heute leitet er die Firma tempus ABC Personal mit dem Motto „Die besten Mitarbeiter finden und halten“. Knoblauch hat zahlreiche christliche Organisationen initiiert, darunter den Kongress christlicher Führungskräfte, und unterstützte Initiativen wie die Fernsehgottesdienste „Hour of Power“, die Willow-Creek-Bewegung und den Arbeitskreis Christlicher Publizisten. In den 90er Jahren war er Vorsitzender von faktor c (damals „Christen in der Wirtschaft“). Knoblauch lebt mit seiner Frau im schwäbischen Giengen bei Heidenheim.
Internet: www.joerg-knoblauch.de