Gottes Wirken selbst in der Not des Krieges erkennen
Eine junge Selbstständige aus der Ukraine berichtet von ihrer Flucht
Der Ukraine-Krieg trifft alle Menschen des Landes, auch christliche Geschäftsleute. Yuliya Opanasyuk ist einen Tag nach dem russischen Angriff aus Kiew geflohen. Bei einer „faktor c zuhause“-Veranstaltung erzählte sie, was sie dabei erlebt hat.
Wouter Droppers und seine Frau haben Yuliya in ihrem Haus aufgenommen. Er berichtet, wie Europartners, eine christlich geprägte Wirtschaftsbewegung, in dieser Situation hilft.
Yuliya Opanasyuk berichtet:
Am 23. Februar habe ich mich mit Anna, meiner Freundin und potentiellen Geschäftspartnerin, im Stadtzentrum von Kiew getroffen. Wir überlegten gemeinsam, wie wir ein Online-Business für Schmuckwaren starten könnten. Wir redeten, hatten Spaß, beteten miteinander.
Ganz offenkundig hatten wir nicht erwartet, dass in derselben Nacht der Krieg beginnen würde. Wir hatten unsere Pläne, wir wollten unser Leben leben. Keinesfalls wollten wir, dass Russland uns wovor auch immer „rettet“. Es ging uns gut, und wir waren glücklich mit dem Leben, das wir hatten. Doch in dieser Nacht hat sich alles verändert.
Aus den Nachrichten wussten wir, dass irgendwas im Gange war. Aber wir Ukrainer glaubten gar nicht daran, dass wirklich ein Krieg beginnen würde. Als es dann tatsächlich losging, waren wir total überrascht und hatten keine Ahnung, was wir in dieser Situation tun sollten. Du hörst die Explosionen, legst dich auf den Boden und zitterst und zitterst. Wir blieben eine weitere Nacht in Kiew, es war eine schreckliche Nacht. Wir konnten nicht schlafen, und wir konnten nichts tun. Ich hatte mich bis dahin für eine mutige junge Frau gehalten, aber jetzt erkannte ich, dass ich einfach nur Angst hatte.
24 Stunden bis Warschau
Am nächsten Tag rief mich mein Freund an. Er befand sich am Bahnhof und schlug vor, dass wir Kiew verlassen und verreisen sollten. Also ging ich zum Bahnhof, hatte aber nichts dabei außer meiner Schminke. Keine Kleider oder sonst was. Am Bahnhof waren so viele Leute, die versuchten, einen Zug Richtung Warschau zu bekommen. Wir hatten Glück, und es gelang uns, in einen Zug zu steigen. Eigentlich wollten wir immer noch nicht glauben, dass der Krieg weitergeht, sondern hätten erwartet, dass das Schießen gleich wieder aufhört. Nun waren wir aber froh, dass wir Warschau innerhalb von 24 Stunden erreichten.
Meine Familie und viele meiner Freundinnen sind noch in der Ukraine. Meine Schwester etwa wohnt in einer Stadt näher an der Grenze zu Polen. Auch wenn sie dort vergleichsweise sicher sind, ist das alles emotional für sie schwer zu verkraften. Sie haben Angst, auf der Flucht keine Unterkunft und kein Essen mehr zu finden. Also bleiben sie in der Ukraine.
Langer Weg zurück zu „normal“
Die ganzen Ereignisse haben alle extrem erschöpft. Wir hoffen, dass der Krieg bald zu Ende ist. Aber wir wissen, dass es auch dann noch eine ganze Zeit dauern wird, bis wir wieder einen Normalzustand erreichen. Die Ukrainer sind sehr patriotisch, sie werden kämpfen bis zum Schluss. Von meinen Freunden und Verwandten höre ich, dass Aufgeben keine Option für sie ist. Dabei sieht die Situation nicht sehr verheißungsvoll aus. Ich befürchte, dass nach Ende des Krieges viele Ukrainer Traumata haben werden.
Viele Freunde allerdings haben die Ukraine auch verlassen. Sie sind nun über ganz Europa verstreut. Äußerlich sind wir alle gut versorgt, innerlich sind wir extrem gestresst und unruhig. Es fühlt sich an, als habe es uns den Boden unter den Füßen weggezogen. Du hast alles hinter dir gelassen – deine Freunde, deine Arbeitskollegen, einfach alles. Und du kommst in ein Land dessen Sprache du nicht verstehst.
Gott kümmert sich
Es ist in dieser Situation eine unverzichtbare Aufgabe, dass wir Gott neu als das Fundament unseres Lebens begreifen. Das soll jetzt nicht zu fromm klingen, aber genau das muss ich im Moment lernen. Meine Freundin Ina ist in einer ukrainischen Stadt hängen geblieben. Diese Stadt wurde von russischen Streitkräften umzingelt. Die Bewohner hatten keinen Strom mehr, sie konnten keinen Kontakt nach außen aufnehmen. Und sie hatten kaum zu essen. Als die ukrainische Armee die Stadt befreite, wurden humanitäre Güter wie Essen verteilt. Man kann sich kaum vorstellen, was es für die Leute dort bedeutet hat, wieder Früchte und Süßigkeiten zu bekommen. Ina sagte, sie fühle Gott nun viel stärker als zuvor. Er habe sich nicht nur als guter Versorger für sie erwiesen, sondern er habe sich auch um die geringsten Bedürfnisse bei ihr gekümmert.
Es lohnt sich, auch in den schwierigsten Situationen nach etwas Ausschau zu halten, in dem Gottes Wirken zu erkennen ist. Das gilt unabhängig davon, wo du dich gerade befindest. Mein eigener Glaube ist durch den Krieg nicht erschüttert worden. Ich lerne, Gott neu zu vertrauen. Er erneuert das Fundament meines Glaubens unter den neuen Umständen, in denen ich lebe.
Wouter Droppers berichtet:
Yuliya kennen wir aus unserem Netzwerk. Wir engagieren uns als Europartners stark in der Ukraine, insbesondere für Young Professionals. Yuliya hat da in Kiew immer mitgemacht. Als der Krieg anfing, riefen wir alle Leute an, die wir dort kennen, und fragten, wie es ihnen geht und wo sie gerade sind. Als ich Yuliya anrief, war sie schon in Warschau. Sie wusste nicht, wo sie hingehen sollte. Da habe ich meine Frau bei der Arbeit angerufen, und wir waren uns gleich einig, dass wir Yuliya bei uns aufnehmen.
Das Erste, was wir ihr in dieser Situation geben wollten, war ein sicherer Ort, damit sie ein Zuhause hat und Ruhe findet. Aber ganz schnell geht es dann auch um die Frage, was sie denn in Zukunft machen soll. Wenn sie einen Job haben will, braucht sie eine Steuernummer. Sie braucht ein Bankkonto, einen Sprachkurs, ein Fahrrad. Sie muss lernen, wie man einkauft, wie Bus und Zug funktionieren. Dabei unterstützen wir sie.
Sie braucht auch mentale Ermutigung, denn sie ist weiterhin emotional verwundbar und instabil. Wichtig ist hier das Gebet, wir beten viel und auch gemeinsam. Gott hat hier schon einige Gebete für uns erkennbar beantwortet.
Zuerst Gebet
Europartners hat gleich zu Beginn des Krieges mit Gebet begonnen. Wir haben eine digitale Gebetsgruppe, in der wir auch Nachrichten ausbreiten, damit die Mitglieder besser dafür beten können. Das hilft. Wir glauben nicht, dass das Gebet der letzte Strohhalm ist, sondern es ist das Wichtigste von allem. Das Gebet gehört an den Anfang und ist die Voraussetzung für alles weitere Wirken.
Wir stehen über einen tschechischen Partner in Verbindung mit einem Netzwerk mit 400 Gemeinden in verschiedenen Ländern. Dieser Freund hat schon 980.000 Euro bekommen, und 850.000 Euro sind bereits ausgegeben. Wir geben sie für praktische Hilfe und Evangelisation. Manche verstehen nicht, warum wir in so einer Situation evangelisieren. Nun, wir glauben und wir wissen, dass, wenn sich unser Herz nicht ändert, wenn sich die menschliche Natur nicht ändert, die Krise bleiben wird. Und es wird dann eine neue Krise kommen. Erst muss sich der Mensch ändern, dann löst sich auch die Krise auf.
Ein Freund erzählt mir, dass seine Mutter jeden Tag auf den Straßen von Kiew das Evangelium predigt. Sie verteilt Essen an Bedürftige, verkündet die christliche Botschaft und betet für die Menschen. In den zurückliegenden Tagen haben sich bereits sechs Menschen zu Gott gewendet, sie erfahren eine spirituelle Erweckung.
Unternehmer erlebt Wunder
In unserem Kreis gibt es einen Unternehmer, der die Flüchtlingsarbeit unterstützt. Seine Geschäfte gehen nicht so gut, weil ihn die Folgen der Pandemie schwer getroffen haben. Ihm fehlt Geld, er lebt im Moment von den Krediten seiner Lieferanten. Aber er erinnerte sich an seine Jugend und an die armen Zustände, in denen er aufgewachsen ist. Und so hat er sein letztes Geld weggeschenkt für die Flüchtlinge. Dann rief er mich an und sagte: „Wouter, weißt du was Gott gerade tut? In der Woche, nachdem ich mein letztes Geld weggegeben hatte, rief mich ein Lieferant an und sagte, ich bekäme eine Gutschrift für alles, was ich im vergangenen Jahr verkauft habe. Da ging es um 20.000 Euro. Dann bekam ich einen Auftrag über 200 iPads, die ich verkaufen könnte. Dann bekam ich ein Angebot für ein neues Produkt. Am Ende habe ich noch mit einem Unternehmer aus der Ukraine gesprochen, der sein ganzes Lager ins Ausland geschafft hatte. Er bot an, dieses Lager zu verkaufen, weil er selbst keine Möglichkeit mehr dazu hatte. Ich müsse nicht in Vorleistung gehen, sondern nur das abrechnen, was ich tatsächlich verkaufe.“ So hat Gott für ihn gesorgt, weil er sein letztes Geld an die armen Leute gegeben hatte. Solche Geschichten inspirieren mich, da sehe ich Gott am Werk.
Auch wir können den Menschen in der Ukraine helfen, etwa durch Spenden an Hilfsorganisation. Die Lebensmittelpreise sind sehr hoch. Es gibt eine Knappheit bei praktisch allen Produkten, selbst bei Zahnbürsten und Zahnpasta. Im Moment kann man Geschäftsleuten wahrscheinlich gar nicht so gut helfen, aber wenn der Krieg vorüber ist, kommen die Möglichkeiten. Die meisten Geschäftsleute in der Ukraine sprechen kein Englisch. Da wäre es hilfreich, wenn sich manche von uns ihre Sprache zu eigen machen. Dass wir sie besuchen, dass wir Beziehungen bauen. Durch persönliche Beziehungen können wir ihnen helfen, ihr Geschäft wieder aufzubauen.
Versöhnung statt Hass
Was wir leider auch in der Ukraine sehen, ist, dass der Hass wächst. Die Leute hassen die Russen abgrundtief. Das wächst jeden Tag. Das Abschlachten von Ukrainern durch russische Soldaten verstärkt diesen Effekt. Nach dem Krieg werden wir das Evangelium noch stärker brauchen. Dass sich Herzen ändern. Damit Versöhnung wieder einen Platz findet. Das wird nicht einfach sein. Wir haben uns auch versöhnt, Deutschland und die Niederlande, nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür beten wir als Christen und setzen uns dafür ein, dass Versöhnung auch zwischen der Ukraine und Russland wieder möglich wird.
Was wir im Moment also tun können: beten und praktische Hilfe geben.
(Protokoll: Marcus Mockler)
Yuliya Opanasyuk
ist Trainerin bei Mary Kay Ukraine, Wirtschaft- und Familienmediatorin und spricht mehrere Sprachen. Sie lebte bis vor Kurzem noch in Kiew. Die Ukraine verließ sie unmittelbar nach der russischen Invasion und wohnt derzeit bei der holländischen Familie Droppers in Duiven. In der Ukraine liebte sie das Nordic Walking, jetzt in Holland radelt sie gerne lange Strecken.
Wouter Droppers
begleitet seit mehr als 35 Jahren führende Unternehmen der Geschäftswelt. Er war Präsident mehrerer Unternehmen in der Automobilbranche und ist derzeit Präsident von Europartners, einer europäischen Bewegung für christliche Unternehmer, wo er christliche Unternehmer in ganz Europa zum Thema Glaube und Wirtschaft berät, unterstützt und ermutigt. Er hat auch Theologie studiert und ist außerdem Autor des Buches „Der Jerusalem-Unternehmer – wie man eine Quelle des Wohlbefindens wird“. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in den Niederlanden.
Sie wollen für die Menschen in der Ukraine Geld geben? faktor c leitet alle entsprechenden Spenden an Europartners weiter. Weitere Infos bei https://www.faktor-c.org/spenden/
faktor c / Christen in der Wirtschaft e. V.
KD – Bank eG
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Zweck: Ukraine-Hilfe