Der Begriff „visionäre Führung“ ist heutzutage oft zu hören. In einer sich schnell verändernden, globalisierten Welt wird von Führungskräften erwartet, dass sie die Zukunft vorhersehen und mutige Richtungen einschlagen; ihre Unternehmen sollen in einer sich schnell verändernden Wirtschaft florieren. Richard Stearns, ehemaliger Geschäftsführer von World Vision, sagte einmal: „Eine Führungskraft muss die gegenwärtige Realität definieren, eine gewünschte Zukunft formulieren, einen Weg nach vorne aufzeigen und sich die Vision persönlich zu eigen machen.“ Und er hat Recht, denn ohne Vision reagieren wir irgendwann nur noch. Die besten Führungskräfte sehen nicht nur das, was ist, sondern auch das, was sein könnte.

Dennoch birgt dies eine versteckte Gefahr: Führungskräfte, die derart vom Zukünftigen vereinnahmt werden, verlieren leicht die Menschen in ihrer direkten Nähe aus dem Blick. Das ist das Paradoxon der Führung: Um wirklich die Zukunft gestalten zu können, müssen wir voll und ganz in der Gegenwart sein.

Apostel Paulus erinnert uns in Römer 12,15: „Freut euch mit den Fröhlichen! Weint aber auch mit den Trauernden!“ Dies ist kein Gebot für Menschen, die zeitlich flexibel sind oder über viel freie Zeit verfügen. Es ist ein wesentliches Merkmal christlicher Führung. Führungskräfte, die zu sehr auf Ziele fixiert sind, tun sich oft schwer damit, die Freuden und Nöte derjenigen zu sehen, denen sie dienen sollen. Und es entmutigt Menschen, wenn sie sich nicht gesehen fühlen. Sie folgen keiner Führungskraft, die distanziert erscheint, selbst wenn diese eine wunderbare Vision für die Zukunft hat.

Dies wird vielen Führungskräften zum Stolperstein. Sie meinen, in erster Linie dazu berufen zu sein, eine Vision zu entwerfen, zu inspirieren, strategisch mutige Ziele zu setzen. Doch gemäß der Bibel geht es bei Führung nicht nur um die Richtungsangabe, sondern um die Gegenwart. Kolosser 3,14 erinnert uns: „Wichtiger als alles andere ist die Liebe. Wenn ihr sie habt, wird euch nichts fehlen. Sie ist das Band, das euch verbindet.“ Liebe ist nicht nur im persönlichen Leben wichtig, sie ist der Klebstoff für Unternehmen, Teams und die Gesellschaft.

Und Liebe erfordert im Wesentlichen Gegenwart. Das Sein im Augenblick. Wirklich gute Führungskräfte formulieren nicht nur die Mission, sie gehen mit den ihnen anvertrauten Menschen mit. Sie hören zu, bevor sie reden. Sie bemerken die Erschöpfung in der Stimme eines Mitarbeiters. Sie erkennen die stillen Siege, die es wert sind, gefeiert zu werden. Sie haben die Menschen im Blick, und nicht nur die Produktivität.

Jesus Christus verkörperte dies. Er hatte nicht nur eine großartige Vision von Erlösung, Er war mitten unter den Menschen. Er berührte Aussätzige. Er saß mit Sündern zu Tisch. Er weinte an Lazarus Grab. Er kündigt nicht nur die Rettung an, sondern lebte unter denen, die zu retten Er gekommen war.

Die Ironie darin ist, dass diejenigen, die zu sehr von der Zukunft besessen sind, dort vielleicht nie ankommen werden. Die Menschen folgen nicht allein einer Vision, sondern denen, die sie kennen, die sie lieben, die mit ihnen auf dem Weg sind.
Die besten Führungskräfte sind nicht nur Visionäre, sondern auch Hirten.

Gute Führung hat mit Liebe zu tun. Und wer liebt, ist voll und ganz gegenwärtig. Führung bedeutet nicht nur, Menschen zu einem Ziel zu bringen, Führung bedeutet, mit Menschen unterwegs zu sein. Wenn wir dies beherzigen, spiegeln wir Jesus wider, der nicht distanziert blieb, sondern in unsere Welt kam, auf unseren Wegen wandelte und uns zu Größerem berief. Wenn wir wie Er führen wollen, müssen wir lernen, es Ihm gleichzutun.

 

©2025. Tief bewegt von der transformatorischen Kraft des Evangeliums ist es das Anliegen von Christopher C. Simpson, den Glauben in der
Geschäftswelt zu verbreiten. Christopher ist Präsident von CBMC International; zuvor diente er 28 Jahre lang in der US Marine und beim Secret
Service, wo er für den Schutz von 7 Präsidenten zuständig war. Mit seiner Frau Ana lebt er in Boca Raton, Florida, USA.
Übersetzung: Susanne Nebeling-Ludwar, Tübingen: S.Ludwar@gmx.de
Bibelzitate sind der Übersetzung Hoffnung für Alle entnommen, wenn nicht anders angegeben.