1. Steuern gibt es nie genug!

Zu jener Zeit ordnete Kaiser Augustus an, dass alle Menschen in seinem Reich gezählt und für die Steuer erfasst werden sollten. 

Den Machthabern jeglicher Epochen und Zeitalter scheint es immer und vor allem an einem zu mangeln: Geld! Die Folge ist, dass seit Menschen Gedenken in unterschiedlichster Form und mit großem kreativem Eifer von Staatsseite versucht wurde, neue Einnahmequellen zu erschließen. Gebühren, Steuern, Abgaben, Beiträge …  – alles Worte für ein und denselben Vorgang, nämlich die Bürger eines Landes um Vermögen zu erleichtern. Dieses steht dann wiederum dem jeweiligen Herrscher zur Verfügung steht. Augustus reiht sich in dieses Prozedere zugleich unrühmlich und prominent mit ein. Dass erst einmal eingeführte Steuern und Abgaben selten wieder verschwinden, führen uns regelmäßige Debatten um die Abschaffung von ursprünglich zeitlich begrenzten Mehrbelastungen schmerzlich vor Augen. Dabei ist nicht nur die Zahl der Steuern und Abgaben an sich (in Deutschland einige Duzend) bedrückend, sondern auch die Frage wie diese erhoben und nachverfolgt werden. Kaiser Augustus ist hierfür ein gutes Beispiel aber auch im Hier und Heute, sind Kreativität und Gründlichkeit (zumindest in Deutschland) kaum Grenzen gesetzt.

 

Umgekehrt hilft uns die Weihnachtsgeschichte beim nächsten Abgabenbescheid daran zu denken, dass wir uns in guter Gesellschaft mit vielen Bürgern vorheriger Generationen befinden, die sich immer wieder fragen durften: Wieviel Geld soll ich eigentlich noch an meine Regierung abgeben?

2. Daten waren schon in der Antike viel wert!

Diese Zählung war die erste und wurde durchgeführt, als Quirinius Statthalter der Provinz Syrien war. 3 Und alle gingen hin, um sich einschreiben zu lassen, jeder in die Heimatstadt seiner Vorfahren. 

2018 geht als das Jahr der Datenschutzgrundverordnung in die Geschichte ein. Schon längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich in einer digitalisierten und globalisierten Welt Geld vor allem dadurch „machen“ lässt, dass mit Daten gearbeitet wird. „Daten sind das neue Gold“, höre ich immer wieder und es erscheint mir immer dann glaubhaft, wenn ich mir die schwindelerregenden Werte ansehe, die für wertschöpfungsarme sogenannte „Technologieaktien“ an Börsen gehandelt werden.

Kaiser Augustus war offensichtlich vielen seiner Herrscherkollegen voraus („es war die erste Zählung dieser Art“) und erkannte, wofür mancher noch 2.000 Jahre benötigen sollte: Daten sind bares Geld wert. Er wusste, dass es für ein wirkungsvolles Abkassieren ein möglichst engmaschiges Netz an Daten braucht. Was heute als Cookie daherkommt, das uns quer durch das Internet verfolgt und alles mitschreibt, was wir tun, war zu Augustus Zeit wohl eine schnöde und vermutlich sehr lange aber nicht minder wirkungsvolle Liste.

3. Die Mittelschicht ist hervorragend für staatliche Zugriffe geeignet:

Auch Josef machte sich auf den Weg. Aus Galiläa, aus der Stadt Nazaret, ging er nach Judäa in die Stadt Davids, nach Betlehem. 7 Sie (Maria) gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe im Stall. Denn in der Herberge hatten sie keinen Platz gefunden.

Josef war Handwerker oder Architekt (τέκτων). Damit zählte er zur damaligen Mittelschicht und war als redlicher Gewerbetreibender besonders betroffen vom Dekret des Kaisers. Wer auf staatliche Ordnung und Leistungsfähigkeit angewiesen ist und gleichzeitig mit seiner Arbeit eine gewisse Wertschöpfung erreicht, passt perfekt ins staatliche Beuteschema. Ein aufwändiges Steuersparmodell ist für die Angehörigen der Mittelschicht in der Regel ebenso wenig leistbar wie eine glatte Verweigerungshaltung.

Im ersten Fall stehen Nutzen und Kosten nicht in Relation, im zweiten Fall besteht die Gefahr, die Vorzüge des höheren Wohlstandsniveaus zu verlieren und finanziell oder gesellschaftlich vollends abzustürzen.

Spannend fände ich zu wissen, ob alle Hirten, die des Nachts auf dem Feld unterwegs waren, gebürtig aus Bethlehem stammten, oder ob diese nicht auch hätten zumindest teilweise in ihre Heimatstadt ziehen müssen? Vermutlich haben sich die Hirten einfach nicht um das Dekret des Kaisers gekümmert, weil sie dafür weder die notwendige Bildung hatten noch bei Zuwiderhandlung mit Sanktionen rechnen mussten. Wer schlau ist als Kaiser bedient sich nicht bei armen, von der Gesellschaft gemiedenen Hirten, sondern bei Handwerkern, Grundstücksbesitzern, Landwirten und Händlern.

Dass Josef und Maria im Stall enden ist die natürliche Folge dieses Dilemmas. Meine beschränkten Geschichtskenntnisse reichen soweit aus, um zu verstehen, dass sich keine Revolutionsbewegung in Europa durchsetzen konnte, die nicht aus der Mittelschicht heraus getragen worden wäre (auch wenn sie in der Unterschicht begann). Wer es mit der Belastung der Mittelschicht übertreibt, bringt eine Gesellschaft ernsthaft in Gefahr. Nicht jeder lässt sich kampflos mit einem Stall abspeisen, während die Elite im gepflegten Hotelbett verweilt.

4. Tiefgreifende Veränderungen werden von denen zuerst wahrgenommen, denen der Blick von außen vergönnt ist

In jener Gegend waren Hirten auf freiem Feld, die hielten Wache bei ihren Herden in der Nacht. 9 Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie, und sie fürchteten sich sehr. 10 Aber der Engel sagte zu ihnen: »Habt keine Angst! Ich habe eine große Freudenbotschaft für euch und für das ganze Volk. 

Die Hirten waren räumlich und sozial von der Gesellschaft abgeschieden. Sie hatten Distanz zum „System“ und waren vielleicht gerade deshalb diejenigen, die zuerst vom tiefgreifenden Umbruch erfahren, der sich mit der Geburt Christi ereignet. Wie viele Künstler, Philosophen, Musiker, Theologen und Zukunftsforscher wurden schon belächelt, weil sie von außen auf eine Gesellschaft blickend, Dinge vorhersahen, die für ihre Zeitgenossen unvorstellbar waren?

Vielleicht ist es überhaupt erst möglich zu erkennen, was sich Bahnbrechendes in Zukunft ereignen wird, wenn man sich aus dem Getriebe des Alltags und aus politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zwängen zurückzieht.

Wären die Engel einem viel beschäftigen Kaufmann, Politiker oder Landwirt erschienen, dann wären sie mit ihrer Botschaft vielleicht als weiterer Agendapunkt auf einer langen Prioritätenliste geendet.

Die Hirten hatten den nötigen Freiraum ihrer übernatürlichen Erscheinung konsequentes Handeln folgen zu lassen: Nach einer kurzen Phase des Zweifelns machen sie das einzig richtige und gehen der Sache nach. Damit sind sie Vorbild und Ansporn für jeden von uns. Vielleicht kann ein gelegentlicher Rückzug für alle Vielbeschäftigten unter uns ebenfalls der Schlüssel zu sensationellen Entdeckungen sein.

5. Wenn Du die Welt verändern möchtest, gehe in einen Stall …

Heute ist euch der Retter geboren worden, in der Stadt Davids: Christus, der Herr! 

Und dies ist das Zeichen, an dem ihr ihn erkennt: Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden, das liegt in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe.«1 

… und nicht ins Kanzleramt oder eine Konzernzentrale. Jesus Christus kommt im Stall zur Welt – und verändert alles. Keine entscheidende Figur der Menschheit weißt einen ähnlichen Lebenslauf auf und niemand hat unseren Globus nachhaltiger und gewaltfreier verändert wie Jesus von Nazareth (oder eigentlich Jesus von Bethlehem). Fast alle wirtschaftlich und kulturell hoch entwickelten Nationen der Gegenwart basieren in einem erheblichen Maß auf seinen Lehren.

Interessant ist gleichzeitig, dass viele großartige Entdeckungen ihren Ursprung ebenfalls nicht in einer Konzernzentrale oder einem Politbüro hatten.

Die ersten Piloten zimmerten ihre zerbrechlichen Fluggeräte nicht in etablierten Fabriken zusammen. Die Geschichten von Gottlieb Daimler und Carl Benz lehren uns, dass Bahnbrechendes viel eher in einer Garage (der moderne Stall) entsteht, als in einem etablierten Umfeld.

Microsoft und unzählige Digital-Startups lassen sich hier ebenso als Beispiel aufführen wie unzählige in den letzten Jahren entstandene Innovations-Labors, in denen fernab von Konzernvorgaben und fest gefahrenen Strukturen, Neues entstehen kann.

So mancher durfte sich dann wie Jesus Christus über reich bestückten Besuch freuen. Damals aus dem Osten, heute eher aus dem Westen …

Ich wünsche allen Lesern ein besinnliches und gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für 2023!

Frank Lehmann, Illingen, November 2022