Er war Topmanager und Christ: Siegfried Buchholz prägte mit seinen Aufsätzen und Vorträgen eine ganze Generation von Christen in Führungspositionen. Am 15. Februar ist er gestorben. Zur Erinnerung an den kantigen Konzernmanager und Redner veröffentlichen wir einen Beitrag von ihm aus dem Jahr 2014, in dem er messerscharf die Versuchung der Geldgier analysiert. Es ist ein prophetischer Text, der mit wenigen Aktualisierungen auch heute so hätte geschrieben werden können.

Für Christen ist die Bibel das wichtigste Buch. Und je älter man wird, desto deutlicher wird die lebensformende und glaubensformende Bedeutung des Wortes Gottes. Und doch passiert es, dass wir uns an die Aussagen der Bibel „gewöhnen“, wenn wir sie immer wieder lesen. In der Regel sind es Krisensituationen, in denen wir die Brisanz des Wortes wieder entdecken, die Aussagen Gottes über unser Leben.

Vielleicht habe ich Joh. 3,16 so oft gelesen, dass ich die gewaltige Aussage dieses Wortes nicht mehr aufnehme: Dass der große Gott, der Schöpfer und Herr dieser Welt ist, mich persönlich kennt und Gutes mit mir vorhat. Dass Er willens war, sogar seinen einzigen Sohn für mich quälen und sterben zu lassen, damit er mich in der Ewigkeit in seiner Nähe haben kann. Ich habe längst aufgegeben, das zu begreifen und kann mich nur hin und wieder der beglückenden Gewissheit hingeben, dass wir uns kennen dürfen – Er, mein Schöpfer, und ich, sein Geschöpf.

„Ihr könnt nicht …“

Es ist ein anderes Wort, das ich auch schon oft gelesen habe und das mich seit einiger Zeit ganz neu gepackt hat: Matth. 6,24: „Niemand kann gleichzeitig zwei Herren dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des anderen nicht kümmern können. Genauso wenig könnt ihr zur selben Zeit für Gott und das Geld leben.“ Die dem Urtext nahestehende konkordante Übersetzung schreibt kantig: „Ihr könnt nicht Gott sklaven und dem Mammon.“

Ich erinnere mich noch genau daran, als mich dieses Wort mal wieder ganz neu traf. Es war in der ersten Phase der Finanzkrise, ca. 2008, als ein ungebremster Prozess spekulativer Geldvermehrung und bedrohlicher Geldverluste globale Dimensionen annahm. Und es war dieses kantige Wort „Ihr könnt nicht“, das mich packte. Das war kein guter Ratschlag oder eine ernsthafte Ermahnung „Ihr solltet eigentlich nicht“ – das war ein widerspruchsloser Befehl. Was mich an diesem Wort am meisten erschreckt, ist die tödliche Konsequenz dieser Aussage. Hier liegt eine Alternative auf dem Tisch, über die ich nicht einmal nachdenken will. Für Gott ist das Thema „Geld“ kein Nebenkriegsschauplatz. „Ihr könnt nicht!“

Was ist das Vergleichbare bei Gott und Geld? Können beide wirklich den gleichen starken Einfluss auf einen Menschen ausüben? Gibt es wirklich Menschen, für die Geld wichtiger ist als Gott? Und begreifen diese Menschen, dass sie mit dieser Entscheidung ihr eigenes Todesurteil unterschrieben haben? Vielleicht haben sie nicht richtig gelesen, was Jesus hier sagt: „Ihr könnt nicht Gott und dem Geld dienen.“ Dienen werde ich nur einem Stärkeren. Dienen heißt, sich diesem Stärkeren zu unterwerfen.

Gottes Widersacher dienen?

Wem unterwerfe ich mich denn, wenn ich dem Geld „diene“? Die Antwort ist eindeutig: dem Widersacher Gottes. Eine Einladung zur Unterwerfung hatte der Teufel schon Adam und Eva attraktiv gemacht. Selbst Jesus lädt er ein, sich ihm zu unterwerfen in der Wüste. Es ist wichtig, dass wir das ganz und gar verstehen: Geldgier ist eine Bereitschaft, sich dem Widersacher Gottes zu unterwerfen. Wenn Jesus dem Geld Herrschaft zuspricht und für Geld und Gott den gleichen Begriff gebraucht: „Herr“, dann müssen wir das schon ernst nehmen.

Wie konnte es geschehen, dass Geld eine so alles beherrschende Rolle spielen kann? Wie konnte es geschehen, dass mitten im größten finanziellen Abenteuerspielplatz Wall Street plötzlich die größte amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Konkurs anmeldete? War da ein Prozess angelaufen, der zu einer globalen Finanzkrise führte? Bei genauem Hinsehen lassen sich da fünf Entwicklungsphasen eines Prozesses erkennen – stark vereinfacht.

Phase 1: Geld ist Entlohnung für Leistung
„Gutes Geld für gute Arbeit“ war die Devise. Aber schon hier gab es deutliche Schönheitsfehler. Karl Marx stellte die richtigen Fragen, leider gab er dazu die falschen Antworten. Schon hier kamen falsche Denkmuster ins Spiel, die dann die nächste Phase starteten.

Phase 2: Geld verselbstständigt sich
Irgendwann fand jemand heraus, dass mit Geld mehr Geld zu verdienen ist als mit Arbeit. Geld arbeitet jetzt nicht mehr produktiv, sondern spekulativ. In der ersten Phase hatten die Banken die Wirtschaft bedient – jetzt begann die Wirtschaft, die Banken zu bedienen. Das neue Ziel war, die Firmenanteilseigner, das heißt die Aktionäre, erfolgreich zu machen (Shareholder Value). Das wurde nur möglich, wenn man alles wirtschaftliche Planen und Handeln auf neuen wirtschaftlichen Denkmustern aufbaut. Einfach formuliert heißt das: Für einen wirtschaftlich denkenden (normalen!) Menschen ist die Maximierung von Gewinn das oberste Ziel in einer mechanisch funktionierenden Welt und Wirtschaft.

Phase 3: Geld wird zur Droge
Süchtige handeln irrational. Finanzielle Ziele werden durch Gier bestimmt. Bonuszahlungen für Banker werden zum Topthema der Boulevard-Zeitungen, „Occupy Wall Street“ wurde geboren, als publik wurde, dass die neun größten US-Banken 2009 175 Milliarden US-Dollar Staatshilfe erhielten und zwanzig Prozent davon (32,6 Milliarden US-Dollar) als Bonuszahlungen an ihre eigenen Mitarbeiter auszahlten – an diejenigen also, die für die Bankverluste verantwortlich waren. Mit „Too big to fail!“ verteidigten die Banken ihr Spielcasino-Geschäft. Bis heute ist es der Politik nicht überzeugend gelungen, hier eine Art von Controlling-Funktion auszuüben. Jeder weiß, dass die Banken manipulieren: Preise, Zinssätze, Benchmarks – und Politiker. Leider sind die Strafen dafür viel zu niedrig.

Bevor wir allerdings auf gierige Banker schimpfen, müssen wir uns selbst fragen, wie wir reagieren würden, wenn wir als Fondsmanager arbeiten würden: mit der realistischen Chance, pro Jahr deutlich mehr als eine Millionen Euro zu bekommen. Neid ist sozial ansteckend und haftet an der Seele.

Phase 4: Geld wird zum Mittel der Machtbeschaffung und lässt Krisen entstehen
Die Finanzkrise begann mit einer politisch gewollten Kreditausweitung für amerikanische Hauskäufer. Von einem sozialistischen Präsidenten angeregt und von der Wirtschaft als Anregung zum Konsum begrüßt. Der dadurch 2005 entstandene Crash stoppte jedoch das Spekulationsgeschäft nicht, sondern setzte es erst richtig in Gang. Risiken wurden verschleiert, und die Staatsverschuldung nahm zu: Ein gefährlicher Prozess hatte begonnen. Die für die Finanzkrise verantwortlichen Banker und Politiker wurden nicht aufgefordert, für ihr falsches Handeln die Verantwortung zu übernehmen. Der Begriff „Ethik“ verschwand und damit auch die Hoffnung, dass wir eine Zukunft ohne Finanzkrise erwarten können. Mehr und mehr wird der falsche Umgang mit Geld zu einem globalen Problem. Während auf der einen Seite das globale Privatvermögen im Vorjahr (2013) um 15 Prozent auf 152 Billiarden US-Dollar anstieg, stellen auf der anderen Seite die immer größer werdenden Arm/Reich-Kontraste mittlerweile die größte weltweite Gefahr dar. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos wurde der globale Aufstand gegen Reiche als das größte Risiko der nächsten zehn Jahre beschrieben. An zweiter Stelle der größten Gefahren wurde „ein schwerwiegender Ausfall des Finanzsystems“ genannt.

Phase 5: Die bargeldlose Gesellschaft (Cashless Society)
Sie ist seit einigen Jahren das Endziel der Finanzwirtschaft. Das Verschwinden von Bargeld und der dann nur noch mögliche digitale Geldverkehr werden Menschen und ihr Miteinander-Umgehen 100 Prozent kontrollierbar machen und zum totalen Verlust unserer Freiheit führen. Alle dazu notwendige Technik existiert bereits. Alle bisherigen Geldprobleme waren nur Gefechte, aber mit der Cashless Society beginnt der Krieg. Hier beginnt die wahre Bedeutung von „Ihr könnt nicht!“.

Die Bibel und das Geld

Im Buch Prediger 5,9 wird uns gesagt, welche Macht Geld auf uns ausübt: „Wer geldgierig ist, bekommt nie genug!“ Der Evangelist Lukas macht uns klar, mit dem Geld anderer sorgfältig umzugehen (16,12): „Verwaltet ihr das Geld anderer Leute nachlässig, wer wird euch dann das schenken, was euch gehören soll?“ Eine Betriebsanleitung für Investmentbanker.

Und im 1. Timotheusbrief 6,9-10 werden wir daran erinnert, dass Menschen, deren höchste Priorität Geld ist, schlussendlich das falsche Ziel gewählt haben: „Wie oft erliegen Menschen, die um jeden Preis reich werden wollen, den Versuchungen des Teufels; wie oft verfangen sie sich in seinen Netzen! Denn alles Böse wächst aus der Habgier.“

Dann kommt die grundsätzliche Erklärung für das „Ihr könnt nicht“: Das erste Gebot: „Ihr könnt nicht“ – neben mir noch andere Götter haben. Während er Mose diese Botschaft auf dem Berg gab, tanzte unten im Tal das Volk um ein goldenes Kalb.

Viel später machte dann Paulus seinen Freunden in Rom klar, was mit den Menschen passiert, die das „Ihr könnt nicht“ zur Seite schieben und so leben, als gäbe es Gott nicht. Römer 1,28 ist die klarste Beschreibung unserer derzeitigen Situation: „Weil Menschen es für unnötig hielten, nach Gott zu fragen und ihn ernst zu nehmen, hat Gott sie ihrem untauglich gewordenen Verstand überlassen.“

Wer das göttliche „Ihr könnt nicht!“ beiseiteschiebt und Geld an die erste Stelle setzt, lebt und arbeitet dann automatisch mit einem „untauglich gewordenen Verstand“. Ich darf zum Schluss zwei Beispiele für Römer 1,28 geben: Wie alle anderen großen europäischen und amerikanischen Geldinstitute hat auch die größte deutsche Bank alle Möglichkeiten ausgenützt, sich selbst zu bereichern – auf Kosten ihrer Kunden. Sie ist derzeit in rund 6.000 Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Dafür wurden 5,4 Milliarden Euro zurückgestellt. Ein hoher Preis für das Spiel mit der Gier.

Börse, Börse über alles?

Vor kurzem steuerte das amerikanische TIME-Magazin ein nachdenklich stimmendes Beispiel bei und zitierte aus einem Artikel der weltbekannten Harvard Business Review: „Der Einfluss der Finanzwirtschaft auf das Management der Wirtschaft ist so stark, dass eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Finanzchefs (CFOs) großer Firmen ein erschreckendes Bild ergab: 78 Prozent von ihnen wären bereit, die Interessen der Wall Street über die Interessen ihrer eigenen Firma zu setzen.“ Mit anderen Worten: Sie sind bereit, ihrer eigenen Firma zu schaden, um an der Börse schnelle Gewinne zu schaffen. Das ist „untauglich gewordener Verstand“

Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich sehe und verstehe, wie uns Gott seine Botschaften gibt. Das erste „Ihr könnt nicht“, gerichtet an Adam und Eva im Garten Eden, ist klar und kompromisslos: Ihr könnt nicht beides haben, die Früchte und das Paradies. Hat der Herr da schon gleich am Anfang seiner Schöpfung einen Schutzmechanismus eingebaut? Er will nicht, dass seine Geschöpfe sich selbst demolieren und den wunderbaren Garten verlassen müssen. Er bietet ihnen eine geistliche „Lebensversicherung“ an und warnt sie, nicht mit tödlichen Sachen herumzuspielen. Seine Warnung ist eine Art von Liebeserklärung.

Der Beitrag erschien 2014 im Magazin der Karmelmission. Er wurde für diese Ausgabe gekürzt.

Zum Autor:
Siegfried Buchholz, Jahrgang 1930, war promovierter Chemiker und arbeitete 33 Jahre lang für den BASF-Konzern und hatte zuletzt ein eigenes Beratungsunternehmen. Als Mitglied der Internationalen Vereinigung Christlicher Geschäftsleute (IVCG) verkündigte er weltweit die christliche Botschaft. Auch im Ruhestand war er ein gefragter Redner bei Veranstaltungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Aus der Ehe mit seiner zwei Jahre zuvor gestorbenen Frau Christiane gingen drei Söhne hervor. Buchholz starb am 15. Februar in Baden bei Wien.

faktor c hat in den letzten Monaten in enger Abstimmung mit Dr. Buchholz diverse Aufzeichnungen in Bezug auf seine christliche Vortragstätigkeit digitalisiert und bietet auf Nachfrage (info@faktor-c.org) einen Einblick zu Recherchezwecken an