Wenn es um Leben und Tod geht, dürfen keine Fehler passieren. Doch sind Fehler allzu menschlich. Markus Krauss, Geschäftsführer eines Exzellenzunternehmens, erläutert im faktor-c-Interview, wie seine Firma eine positive Fehlerkultur lebt. Und er verrät, was sein größter Fehler als Unternehmer war.

Herr Krauss, Ihr Unternehmen steht für Exzellenz. Dürfen Ihre Mitarbeiter Fehler machen?

Ja, natürlich. Fehler, Misserfolge, Rückschläge gehören einfach dazu, wenn Menschen handeln.

 

Auf Ihrer Internetseite verkünden Sie eine „Null-Fehler-Qualitäts-Philosophie“. Da bleibt für Ausrutscher kein Platz, oder?

Diesen Qualitätsanspruch müssen wir haben. Viele unserer Produkte sind sicherheitsrelevant, da geht es um Menschenleben. Deshalb muss der Anspruch an uns und damit für unsere Kunden null Fehler sein. Gleichwohl werden die Produkte von Menschen entwickelt, und bei dieser Entwicklung können natürlich Fehler gemacht werden. Deshalb gestalten wir unsere Prozesse so, dass Fehler bereits weitgehend während der Entwicklung entdeckt und behoben werden. Wir bauen Sicherheitsmechanismen ein, damit das Endprodukt unseren hohen Ansprüchen genügt und damit die Kundenerwartungen erfüllt.

 

Gute Fehler, schlechte Fehler

 

Erklären Sie den Unterschied zwischen „guten“ Fehlern und „schlechten“ Fehlern.

Gute Fehler sind Fehler, die man nicht willentlich und nicht bewusst macht. Und aus denen man bereit ist zu lernen. Schlechte Fehler sind aus meiner Sicht Fehler ohne die Bereitschaft, aus ihnen zu lernen, sie abzustellen und nachhaltige Lösungen zu finden.

 

Was war Ihr größter Fehler als Unternehmer?

Vor über zehn Jahren haben wir entschieden, in den USA eine Produktion für einen bestimmten Produktbereich aufzubauen. Das war der Wunsch eines Kunden. In meiner Einschätzung, ob sich das wirtschaftlich trägt, lag ich dabei leider falsch. Das Ganze hat sich als ein nicht sinnvoller Schritt herausgestellt. Mit der Konsequenz, dass wir diesen Standort wieder schließen und zu uns zurückverlagern mussten. Der Standort war vergleichsweise klein, aber wir mussten Mitarbeiter entlassen. Das betrachte ich im Nachhinein als einen persönlichen und schmerzhaften Fehler, aus dem ich gelernt habe, solche Entscheidungen noch sorgfältiger zu prüfen.

 

Es hört sich so an, als täten Ihnen die Mitarbeiter vor Ort mehr leid als der Verlust des Geldes…

Definitiv. Es war notwendig, den Fehler zu korrigieren, um das Unternehmen als Ganzes zu schützen. Doch die Konsequenz für die Mitarbeiter – die glücklicherweise alle wieder einen Arbeitsplatz gefunden haben – war natürlich schmerzhaft. Es gab Enttäuschungen bei Mitarbeitern, beim Kunden.

 

War es trotzdem ein guter Fehler?

Es ist schwer, das einen guten Fehler zu nennen. Ich habe aber zwei Dinge daraus gelernt: Erstens, wie wichtig es ist, offen und klar mit so etwas umzugehen – der schwere Schritt hat letztlich sogar dazu geführt, dass die Kundenbeziehung dann gefestigt wurde. Ich bin persönlich zu den Entscheidern gereist und habe mit ihnen gesprochen. Auch in der Belegschaft hat es letztlich keinen Schaden hinterlassen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich persönlich klar zu dem Fehler gestanden habe.

Und zweitens gehe ich an vergleichbare Entscheidungen heute bewusster ran. Entscheidend ist auch, dass man sich durch Fehler nicht entmutigen lässt, sondern danach wieder aufsteht und den Mut hat, weiterhin verkraftbare Risiken einzugehen. Wer nichts riskiert, macht keine Fehler, kann aber auch keine Erfolge feiern.

 

„Fuck-up-Partys“ sind unangemessen

 

Es gibt ja so genannte Fuck-up-Partys, wo die Leute gescheiterte Geschäftsideen und anderer Fehler feiern und darüber reden, was so richtig schief gegangen ist. Haben Sie schon einmal einen Fehler gefeiert?

Das fände ich dem Ernst der Sache nicht angemessen. Was wir aber systematisch machen: Wenn wir einen wirklichen Misserfolg haben, zum Beispiel ein Projekt abbrechen müssen, weil wir es falsch eingeschätzt haben, dann besprechen wir gemeinsam mit dem Projektteam in Ruhe, was daraus zu lernen ist. Das nennt sich „Lessons learned“. Wir versuchen herauszufiltern, was die wesentlichen Learnings sind. Darauf greifen wir dann bei Projekten, die wir neu starten, zurück. Das bewahrt uns nicht vor neuen Fehlern, aber das minimiert das Risiko bei zukünftigen Entscheidungen. Solche „Lessons-learned“-Tage haben wir mehrfach im Jahr.

 

Sie bekennen sich zum christlichen Glauben. Wie gehen Sie als Christ mit ihren eigenen Fehlern um?

Der erste Schritt ist, den Fehler in aller Klarheit zu erkennen und anzuerkennen – für sich ganz persönlich und im „stillen Kämmerlein“. Der zweite ist, dazu gegebenenfalls auch öffentlich zu stehen. Der dritte ist, wo nötig um Vergebung zu bitten. Das halte ich für ganz wichtig, insbesondere wenn Beziehungen und Vertrauen enttäuscht wurden, intern wie extern. Und viertens entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen, wie ich es wieder gut machen kann und wie ich daraus für die Zukunft lerne.

 

Vergebung als Tugend

 

Macht Sie der Glaube barmherziger im Umgang mit Fehlern anderer?

Ja. Gerade als Christ weiß ich, dass mir unverdienterweise vergeben wurde und dass ich fehlerhaft und mit Schwächen behaftet bin. Das macht mich barmherziger, fordert aber von mir einfach auch Vergebungsbereitschaft. Das ist eine Tugend, die wir als Führungskräfte haben sollten.

Was aber auch dazugehört, ist, nicht um den heißen Brei herumzureden. Wenn ich Fehler bei anderen entdecke, muss ich den Fehler im Rahmen einer guten Feedback-Kultur auch klar ansprechen. In aller Konsequenz, wertschätzend, aber klar. Denn nicht immer wird der Fehler sofort eingesehen. Ich möchte anderen dazu helfen, dass sie zu der Erkenntnis kommen, dass es ein Fehler war, und darüber reflektieren. Das Motiv ist letztendlich, ihm Hilfe zur Verbesserung zu geben.

 

Bekommt bei Ihnen auch der Chef so ein Feedback?

Grundsätzlich regelmäßig in Mitarbeitergesprächen und Vorgesetztenbeurteilungen. Zudem haben wir in unserem Führungskreis mit zehn Kollegen eine recht gute Methode dafür entwickelt. Wir machen im Führungskreis eine SWOT-Analyse. Wir schauen auf unsere Stärken und Schwächen und auf Chancen und Risiken (SWOT = Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats). Aber auch auf der persönlichen Ebene stellt sich jeder dem Votum des Kreises. Da wird mir als Führungskraft gesagt, was man an mir schätzt, aber auch, welche Schwächen ich habe. Da musste ich also etwa hören, dass ich manches Mal zu unüberlegt delegiere, ohne zu berücksichtigen, was der andere schon für eine Arbeitslast hat und was er für Hilfsmittel braucht.

 

Neue Führungskultur

 

Wie oft stellten Sie sich diesem Votum?

Das muss man eigentlich nur einmal machen und dann immer mal wieder anschauen, denn das ändert sich ja nicht von Jahr zu Jahr. Dann hilft mir das, an meinen Schwächen zu arbeiten und mich weiterzuentwickeln. Das war jedenfalls für uns im Führungskreis ein Schlüssel in den vergangenen zwei Jahren, um das regelmäßige Reden über Fehler und Schwächen auf Führungsebene selbstverständlicher und konstruktiver zu machen.

Jesus sagt in der Bergpredigt: „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ Wo ist da noch Raum für Fehler?

Ich verstehe diese Aussage von Jesus Christus mehr als Aufforderung Gottes, dass ich als sein Kind ihm immer ähnlicher werden soll. Also: Gott als himmlischen Vater anschauen und von ihm als Vorbild lernen. In den verschiedenen Disziplinen des Lebens – als Vater, als Führungskraft – von Gott zu lernen, ist ja ein Prozess des Wachsens, der aber von Fehlern begleitet wird.

 

Wenn Geschäftsführer beten

 

Ist Ihr Unternehmen ein „christliches“ Unternehmen?

Wir sind in dem Sinn christlich, dass wir als Unternehmen eine christliche Wertebasis leben und dass wir einen Gesellschafterkreis, einen Beirat sowie eine Geschäftsführung haben, die aus Christen bestehen. Wir versuchen, die christliche Wertebasis ins tägliche Leben zu übersetzen. Die Werte sind Ehrlichkeit, Mut und Helfen. Wir haben sie aus unserem Glauben abgeleitet. Und das wenden wir auf konkrete Führungssituationen an. Zum Beispiel durch eine Feedback-Kultur, die von Ehrlichkeit, Mut und Hilfsbereitschaft lebt. Die Bestimmung des Unternehmens haben wir in einer Family-Governance festgelegt (siehe Kasten).

 

Geht es für Sie als christlichen Unternehmer ausschließlich um Werte?

Wir unterscheiden uns wohl auch durch die Art und Weise, wie bei uns Entscheidungen entstehen. Natürlich agieren wir nach wirtschaftlichen und unternehmerischen Kriterien, nehmen aber in Entscheidungen Jesus Christus mit hinein als Berater, als Helfer, indem wir beten und fragen, wie man die Bibel auf eine spezielle Entscheidung anwenden kann. Wir sind drei Geschäftsführer, alle drei sind Christen, und wir haben Montagmorgens Geschäftsführerrunde, die wir mit Gebet und einem Bibelwort beginnen. Erst dann gehen wir in die Sachthemen. Genauso ist es bei Beiratssitzungen, die mit Gebet und Bibelwort beginnen. Wir möchten Entscheidungen nicht ohne die Hilfe Gottes treffen.

 

Erfolgreicher durch den Glauben?

 

Hat Sie der Glaube erfolgreicher gemacht?

Was ist Erfolg? Wenn Sie unseren Familienkodex nehmen, dann steht dort letztlich, wie wir Erfolg definieren. Ich werde später einmal von Gott nicht zur Rechenschaft gezogen dafür, wie viele Produkte wir verkauft haben, wieviel Gewinn wir gemacht und wie wir den Unternehmenswert gesteigert haben. Sondern inwieweit ich durch mein unternehmerisches Handeln Gott geehrt habe, Menschen mit dem Glauben in Verbindung gebracht habe und wie ich überhaupt mit Menschen umgegangen bin. Das ist für mich der Maßstab. Insofern stehen die christlichen Werte für mich höher, als der wirtschaftliche Erfolg. Allerdings ist es ebenso meine Verantwortung, durch wirtschaftlichen Erfolg die Zukunft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sichern. Auch das ist für mich im Kern christlich gedacht.

Was das Wirtschaftliche angeht, da denke ich an einen Bibelvers aus Philipper 4, Vers 19, wo Paulus schreibt: „Mein Gott aber wird all euren Bedarf erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.“ Wir wurden in unserer Firma immer wieder überrascht – auch in den aktuell herausfordernden Zeiten –, wie wir in wirtschaftlicher Hinsicht Jahre abschließen konnten.

 

Kommen Sie auch an Ihre Grenzen als Christ? Sie arbeiten international, da lässt sich in manchen Ländern ohne Bestechung kaum etwas bewegen…

An unethischen Praktiken beteiligen wir uns nicht. Und wir suchen bevorzugt Kunden, die ebenfalls nach diesen Prinzipien arbeiten. Ehrlichkeit ist ebenfalls ein Spannungsfeld, etwa in der Automobilindustrie. Wir haben den Anspruch, zu jedem Zeitpunkt ehrlich zu handeln und die Wahrheit zu sagen. Das hat auch schon mal dazu geführt, dass wir gewisse Aufträge nicht erhalten haben, aber am Ende war es gut für uns, und wir haben manchmal danach Besseres erhalten.

 

Ruhe und Orientierung

 

Christen sagen, sie hätten Zugang zu göttlichen Quellen, göttlichen Kräften, göttlichen Ideen. Müssten dann christliche Unternehmer nicht signifikant besser dastehen als andere?

Ich glaube nicht an ein Wohlstandsevangelium. Also dass man, je gläubiger und christlicher man lebt, desto wirtschaftlich erfolgreicher ist. So verstehe ich die Bibel nicht. Jedoch können wir uns an jemanden wenden und jemandem vertrauen, der ein stetiger und stabiler Fels ist. Das gibt Ruhe und Orientierung.

 

Beten Sie für den Unternehmenserfolg?

Ja, natürlich. Ganz persönlich, aber auch gemeinsam als Geschäftsführung und im Beirat. Das tun wir. Und ich weiß von Mitarbeitern, dass sie das auch tun.

 

Frieden bei Entscheidungen

 

Gibt es einen besonderen Bibelvers, der Ihnen für die tägliche Arbeit immer wieder vor Augen steht?

Es sind mehrere Verse in 2. Mose 33. Mose betet dort zu Gott: „Hab ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden, so lass mich deinen Weg wissen, damit ich dich erkenne.“ Dann antwortet Gott: „Mein Angesicht soll vorangehen; ich will dich zur Ruhe leiten.“ Darauf wieder Mose: „Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf.“ Das ist für mich einer der Kernpunkte in der Haltung, wie wir als Geschäftsführer dieses Unternehmen führen. Wir möchten diesen Weg in der Führung des Unternehmens mit unserem Herrn gehen, der vorangeht!

 

Wie trifft man als christlicher Chef gute Entscheidungen?

Dafür hat ebenfalls ein Bibelvers für mich zentrale Bedeutung gewonnen, Kolosser 3,15: „Der Friede des Christus entscheide in euren Herzen.“ Ich versuche, keine Entscheidung zu treffen, wenn ich nicht Frieden im Herzen habe – und das gilt auch für meine Kollegen, für uns gemeinsam.

 

Wir danken für das Gespräch.

Zum Interviewten:

Markus Krauss, Jahrgang 1967, ist CEO der Thomas Group in Herdorf bei Altenkirchen im Westerwald. Das Unternehmen mit über 900 Mitarbeitern hat sich auf die Steuerung von Flüssigkeiten spezialisiert, etwa in Autos, LKWs, Baumaschinen oder Arbeitsmaschinen für die Land- und Forstwirtschaft. Ein zukünftiges Geschäftsfeld wird die Medizintechnik sein. Der verheiratete Vater von fünf Kindern geht in eine freikirchliche Brüdergemeinde und engagiert sich dort auch ehrenamtlich. (www.thomas-group.com)