Wie geht eigentlich christlich geprägte Menschenführung, wenn ich Verantwortung für Mitarbeitende, Untergebene, Kollegen, Stakeholder und andere in der Wirtschaft habe? Das ist eine Frage, die zuerst darauf abzielt, wie ich selbst bin bzw. sein muss. Hier kommt nach dem ersten Versuch einer Antwort mit „Die Versuchung, unentbehrlich zu werden“ und einem zweiten mit „Die Versuchung, beliebt zu werden“ der dritte Teil dazu.  

Die Versuchung, mächtig zu werden 

Wer führt, hat Macht. Eine Firma führen, Mitarbeitende führen, die Geschäfte führen, das alles geht nicht ohne Macht. Gleichzeitig ist Macht eine scharfe Waffe, um gegen andere zu kämpfen, seine eigene Position zu festigen, zu verteidigen oder auszubauen. Macht zu haben ist nötig, Macht haben zu wollen eine Versuchung! 

Henri J. M. Nouwen, der niederländische katholische Theologe, Priester und Psychologe macht in seinem leider vergriffenen Buch „Seelsorge, die aus dem Herzen kommt – Christliche Menschenführung in der Zukunft“ eine interessante Gegenüberstellung: Er stellt die drei Versuchungen von Jesus durch den Teufel (Matthäus 4, 1 – 11) den drei Fragen von Jesus an Petrus (Johannes 21, 15 – 19) gegenüber. In diesem dritten Teil schreibe ich über die Versuchung, mächtig zu werden. Diese Versuchung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen zwei Sorgen: mächtig zu führen – und ohn-mächtig geführt zu werden. Dieses dritte Spannungsfeld mag wieder überraschen.  

Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“ (Matth. 4, 8 – 9) So lautete die zweite Versuchung des Teufels in der o. g. biblischen Geschichte.  Die radikale Botschaft: Anerkenne nicht Gott im Himmel, sondern seinen Gegenspieler, den Satan, als den Herrn – und werde mächtig, weil er dir dann Macht verleiht. 

Wer verleiht mir Macht – und wie gehe ich mit ihr um? 

Ohne Macht geht es nicht in dieser Welt. Wer verleiht sie uns? Meine Position, ich selbst, mein Erfolg, Gott? Macht wird zum Führen ge-, aber auch missbraucht. Wie gehen wir mit unserer Macht um? Aus der Fürsorge des Stärkeren wird schnell das Recht des Stärkeren. Richtig führen kann ich nur, wenn ich um die Notwendigkeit von Macht einerseits, aber auch um die Gefahr andererseits weiß. Es ist gut, die Antworten auf die Fragen in diesem Abschnitt zu suchen und zu kennen! 

Bin ich bereit, mich von anderen führen zu lassen? 

Jesus Christus macht ein geheimnisvolles Verhältnis auf von „führen – und geführt werden“: Wer andere führt, setzt seine Macht ein. Wer sich von anderen führen lässt, gibt seine Macht ab, wird ohn-mächtig. Jesus setzte bei einer der letzten Begegnungen mit seinem Jünger Petrus, der sich – so im Neuen Testament immer wieder nachzulesen – auf seine Macht mit Worten, Taten und Waffen verließ, ein deutlich anderes Signal: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst.“ (Johannes 21, 18) 

Die Botschaft ist klar: Nur wer sich ohn-mächtig führen lassen kann, kann richtig mit seiner eigenen Macht über andere umgehen. Nur wer Ohnmacht kennt, kennt die Untiefen der Macht. Wer sich von Jesus Christus darin trainieren lässt, sich von ihm – und dann auch von anderen – führen zu lassen, der kann andere führen und entgeht der Gefahr, seine Macht zu missbrauchen.  

So also könnte die dritte Antwort auf die Frage aussehen, wie christlich geprägte Menschenführung geht, wenn ich Verantwortung für andere in der Wirtschaft habe: Sich dauerhaft von Jesus Christus formen, prägen und führen zu lassen und sich darin zu üben, auch sich von anderen führen zu lassen.  

Michael vom Ende, im Oktober 2025 
Geschäftsführer von faktor c, einer Initiative von Christen in der Wirtschaft